Lieferkettengesetz
Zu kompliziert, viel zu kompliziert!
Text: Götz Paschen
Unternehmerische Sorgfalt in globalen Wertschöpfungsketten durch Transparenz über alle Produktionsstufen bis hin zur Rohstoffgewinnung? Das ist eine Überforderung der Unternehmen! Das wäre ja so, als könnte ein Hersteller über die Barcodes an der Supermarktkasse sich die ‚Koppelungskäufe‘ nennen lassen: Also kauft einer mit meiner Zeitung eher einen Mars-Schokoriegel oder salzige Erdnüsse. Das ist doch technisch undenkbar! Oder es wäre so, als würde ich nach dem Onlinekauf im Halbtagesrhythmus darüber informiert, wo mein Päckchen gerade unterwegs ist. Technisch unvorstellbar! Und erst im Ausland: Als könnten afghanische Widerstandskämpfer die Standorte amerikanischer Soldaten dämlicherweise über deren SportApp-Tracking identifizieren. Das wird es nie gegeben haben! Wie soll ein deutsches Unternehmen wissen, wo seine Rohstoffe herkommen und wie die Leute bezahlt werden, die sie gewinnen?
KönnenWir können mit unbemannten Drohnen in fernen Ländern ferngesteuert Häuser bombardieren. Die eigenen Soldaten, die im Auslandseinsatz zerlegt werden, können Ärzte auf einem anderen Kontinent mit einem Joystick chirurgisch behandeln. Es gibt Google-Map-Fotos von jedem Straßenschild weltweit. Onlinehändler können dir deinen nächsten Wunschzettel ausdrucken. Du kannst deine Heizung mit dem Handy fernsteuern und deine aktuellen Solarerträge ablesen. Der Stromanbieter weiß bald über smarte Netze und Verbrauchsbeobachtungen, wer zu Hause ist und wer nicht. Aber ein Lieferkettengesetz? Unmöglich!
BananeKeine existenzsichernden Löhne: Aldi kündigt an, die Bananenpreise 2021 pro Kiste von 12,41 auf 11,33 Euro zu senken. „Mit einem wirksamen Lieferkettengesetz müsste Aldi untersuchen, welche Auswirkungen die eigene Einkaufspolitik auf Menschenrechte und Umweltstandards vor Ort hat – und dann angemessen darauf reagieren. Einkaufspreise, die einen existenzsichernden Lohn für die Menschen in den Anbauländern ermöglichen, gehören da eindeutig dazu“, betont Frank Braßel, Leiter Bereich Politik und Kampagnen bei Oxfam Deutschland.
BauxitZwangsumsiedlung und Gewässerverschmutzung: Die deutsche Bank ING DiBA vergibt einen Millionenkredit für eine Bauxit-Mine in Guinea / Westafrika. „Der Bauxit-Abbau zerstört die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort“, kritisiert Gertrud Falk, Menschenrechtsreferentin bei FIAN Deutschland (FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk). „Durch ihren Kredit ist die ING DiBa dafür mitverantwortlich – dabei hat sie sich selbst zu Umwelt- und Sozialstandards verpflichtet. Das zeigt wieder einmal: Selbstverpflichtungen von Unternehmen sind oft das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Deshalb brauchen wir endlich gesetzlich festgeschriebene Sorgfaltspflichten!“
ZementNaturzerstörung: Der Weltmarktführer HeidelbergCement will eine Kalksteinmine und ein Zementwerk auf Java / Indonesien errichten. „Wenn das Projekt so umgesetzt wird, gefährdet es das Ökosystem der gesamten Region. Den Menschen droht die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Das zeigt: Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen gehen oft Hand in Hand. Ein Lieferkettengesetz muss unbedingt beides abdecken“, fordert Klaus Schilder, Experte für Asienpolitik bei Misereor.
NAP gescheitert7.300 größere deutsche Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden müssten zeigen, wie sie Menschenrechte, Umwelt- und soziale Mindeststandards in ihren Wertschöpfungsketten sicherstellen. Den ‚Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte‘ (NAP) erfüllen laut Auswärtigem Amt nur 13 bis 17 % der Firmen. 10 bis 12 % seien auf einem guten Weg. Der Zielwert von 50 % NAP-Erfüllern wurde verfehlt. Der Koalitionsvertrag fordert: „Falls die wirksame und umfassende Überprüfung des NAP 2020 zu dem Ergebnis kommt, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht, werden wir national gesetzlich tätig und uns für eine EU-weite Regelung einsetzen.“ 60 große Unternehmen wie Tchibo, REWE, Nestlé, Alfred Ritter (Ritter Sport) fordern ebenfalls ein wirksames Lieferkettengesetz. 17 Trägerorganisationen tragen die Initiative Lieferkettengesetz: Brot für die Welt, Misereor, WWF, Greenpeace, Forum Fairer Handel, BUND, DGB, Germanwatch … mit insgesamt 118 Unterstützerorganisationen.
Torftipp: 1) E-Mail an Altmaier unter: www.lieferkettengesetz.de, 2) Menschenrecht auf Nahrung: www.fian.de, 3) Aldi meiden.