20 Jahre Torfkurier, der Film






Die Chinesen

Als Argument in jeder Debatte.

Text: Götz Paschen

Ich führe gelegentlich Gespräche über Selbstverantwortung bei Klimaschäden & Co. Und immer wieder höre ich von den ‚Chinesen‘. Was haben die Chinesen mit unserer Umweltzerstörung zu tun? Nicht mit der (!) Umweltzerstörung. Nein, mit unserer! Hier in Europa, Deutschland, den Landkreisen Verden, Rotenburg und Osterholz. Was denn bitte? Nichts. Wenig. – Und warum erzählen mir dann bei jedem Gespräch Leute was von den Chinesen? Mich interessiert sehr wohl, was die Chinesen ökologisch machen. Das gilt aber auch für die Südafrikaner und die Grönländer. Aber was bitte hat das zu suchen in einem Gespräch über die ökologischen Folgen des eigenen Verbraucherverhaltens? Einen feuchten Kehricht. Rein gar nichts.

‚Landkauf‘
Ich sage: ‚Mehr Fahrrad fahren.‘ Und höre: ‚Die Chinesen kaufen in Afrika das ganze Land auf.‘ – Ich kann ja Diagonalen denken. Aber mir fehlt der Zusammenhang: Was haben Chinas globale Machtansprüche mit meinem Mobilitätsumweltschmutz zu tun? Und dann noch das Argument: Die Chinesen machten mehr Dreck als wir? Und das ist die Entschuldigung dafür, dass wir selber weiter gleichviel Dreck machen? Weil andere mehr Dreck machen? Und jetzt mal konkret. Die Aussage ist doch auch falsch: Die Chinesen schafften 2019 grob 27 % der CO₂-Gesamtmenge weltweit, als Tabellenführer, die Deutschen grob 2 %. Aber leben in China nicht auch mehr Leute als in Deutschland? Beim CO₂-Ausstoß pro Kopf liegen wir Deutschen auf Rang 11 und die Chinesen (ohne Hong Kong) auf Rang 16. Hinter uns also. Und was machen jetzt die Chinesen so viel falscher, wenn sie weniger CO₂ ausstoßen als wir?

Ablenken
Ich kann diese käsigen Vergleiche nicht mehr haben. Für mich gilt: Jeder kümmert sich um seinen eigenen Dreck. Egal wie viel ein anderer macht. Wir Deutschen machen in Deutschland die Umwelt sauber. Die Chinesen in China. Was hat eine Gruppe Asiaten damit zu tun, dass unser Lebensstandard nicht zukunftsfähig ist? Wie oft höre ich in Gesprächen oder Diskussionen die Worte ‚die Chinesen‘. Neuerdings ist das für mich ein klares Zeichen dafür, dass sich jemand nicht mit dem eigentlichen Thema auseinandersetzen will. Das Thema ist immer der eigene Schmutz vor der eigenen Haustür. – ‚Die Chinesen‘, das hat etwas von Tratschen, nur internationaler. Erzähle ich über die Unzulänglichkeiten meiner Nachbarn, muss ich mich nicht über die eigenen unterhalten.

Thema verfehlt
Wir können uns über internationale Vergleiche unterhalten. Aber nicht wenn wir über den privaten CO₂-Fußabdruck reden. Dann ist der das Thema. Und in dem Zusammenhang sind internationale Vergleiche irrelevant. Dann lauten die Aspekte mehr Fahrrad, weniger Fleisch, nicht fliegen, Eigenheimisolierung … Da ist es nutzlos über andere Themen zu reden, weil die da nichts mit zu tun haben. Man kann es ja versuchen, aber es bringt nichts. Entweder, es ist Absicht. Dann ist es durchschaut. Oder es ist intuitiv. Dann ist es Wirklichkeitsflucht. Wer besonders schön, von sich ablenken kann, hat dadurch weder Recht noch seinen Fußabdruck verringert. Er hat einfach das Thema gewechselt, beziehungsweise verfehlt.

Augen auf
Sollten Ihnen also in Argumentationen einmal ‚die Chinesen‘ begegnen, seien Sie wachsam. Meistens gehören die Chinesen da nicht hin. Bei der deutschen Reaktorsicherheit, mussten wir auch nicht über die Chinesen reden. Interessanter wäre es gewesen über die Russen und die Japaner zu reden. Aber noch interessanter ist es über unseren deutschen Atommüll zu reden. Den gibt es nämlich aktuell wirklich. Wenn wir uns alle, um unseren eigenen Dreck kümmern, klappt das auch. Die Industrie um ihren, die Konsumenten um ihren und die Politiker um den gesetzlichen Rahmen. Glaubwürdig ist für mich in Debatten nur, wer seine Hausaufgabe gemacht hat oder angeht. Diskussionen als Luftschlachten ohne reale Folgen sind Zeitverschwendung. Da kann man besser mit den Kindern ein Liedchen singen. Zum Beispiel ‚Dre Chenesen met dem Kentrebeß, seßen ef de Streße …‘

Torftipp: Sinnlose Gespräche schnell und höflich beenden.