Januar

Veranstaltungskaufmann
Vom FSJ in die Ausbildung!
Text/Foto: Götz Paschen
„Letztens
hat ein Lehrer gefragt: Wer weiß was ein XLR-kabel ist? Das verbindet
Mikrofon und Mischpult. Das wussten 3 von 20 Schülern. Die Schule ist
der fachtheoretische Teil für den Veranstaltungskaufmann. Aber jeder
sollte einen Beamer anschließen können. Das vermisse ich in der
Berufsschule. Ich erwarte nicht, dass die mir zeigen, wie man einen
Lichtkanal mit DMX anschließt. Aber ein bisschen berufsbezogener wäre
ganz nett. Das liegt nicht an den Lehrern, das liegt am Lehrplan.“ Luca
Tietje (23) aus Achim lernt Veranstaltungskaufmann. Und das kam so.
EhrenamtMit
16 Jahren hat er immer ehrenamtlich in Langwedel für das KASCH
Programme verteilt. Das KASCH ist der Kulturhaus Alter Schützenhof e. V.
und heute, sieben Jahre später, seine Ausbildungsstelle. Diese
Ausbildung ist die logische Konsequenz seines Engagements für regionale
Kulturarbeit: Mit 18 Jahren tritt Tietje in den Miau e. V.
(Musikerinitiative Achim und Umgebung) ein. Im ‚Dröönläänd‘ in Achim,
dem Vereinsheim des Miau e. V., hilft er, zweimal monatlich Partys für
Jugendliche und Workshops zu veranstalten. „DJs oder Bands buchen,
Eventplanung und –durchführung. Von Anfang bis Ende Verantwortung
übernehmen.“ Tietje geht auch in den Vorstand: „Das würde ich jedem
empfehlen. Du siehst, wo deine Stärken und Schwächen sind.“ Er hat viel
mit Leuten zu tun. Was wild anfängt, mündet am 1.8. 2018 in eine solide
Ausbildung im KASCH mit Berichtsheft, zweimal wöchentlich Berufsschule
in der ‚Helmut-Schmidt-Schule‘ in Bremen …
FSJ vorab„Ich
habe mir überlegt, dass das Abi nichts für mich ist.“ Nach der Klasse
12.1 verlässt Tietje das Cato Bontjes van Beek-Gymnasium mit dem
theoretischen Teil der Fachhochschulreife. Das KASCH bietet ihm ein FSJ
Politik an, ein freiwilliges soziales Jahr. Das einjährige FSJ ist der
praktische Teil seines Fachabis. Es läuft über die Landesvereinigung
kulturelle Jugendbildung Niedersachsen e.V. (LKJ). „Ein FSJ würde ich
jedem empfehlen, der noch nicht weiß, wo es hingeht. Man bindet sich
allerdings ein Jahr an den Betrieb.“ FSJ heißt: 360 Euro pro Monat,
Anspruch auf Kindergeld, Krankenversicherung, 26 Urlaubstage und
manchmal freie Unterkunft. Nach dem FSJ studiert Tietje eineinhalb Jahre
Medieninformatik. „Zu viel Informatik, zu wenig Medien. Im Flyer wirkte
das Studium spritziger.“ Dann entdeckt er die Anzeige vom KASCH mit der
Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann. „Ich dachte, das ist jetzt meine
Chance.“ Das Vorstellungsgespräch läuft mit Silke Thomas zehn Minuten
per Du. „Wenn man als FSJler schon ein Jahr im gleichen Betrieb
gearbeitet hat, ist das ideal.“ Die sieben Monate nach Abbruch des
Studiums bis Ausbildungsbeginn füllt ein bezahltes Praktikum im Haus.
Heute ist seine offizielle Ausbilderin Susanne Groll,
Veranstaltungskauffrau und im KASCH zuständig für Musik, Konzerte und
Raumvergabe.
AlarmTietje
hatte schon immer einen Hang zur Kultur. Für ihn macht es Sinn, „da
anzusetzen, was mich als Jugendlicher auch gepackt hätte. Die planen
hier Sachen, die mir auch gefallen würden. Poetry Slam hätte ich mich
als Jugendlicher gefreut oder ein Quizabend.“ Beide Veranstaltungen
organisiert er hier inzwischen eigenverantwortlich. Und Tietje hat schon
vorher als DJ privat aufgelegt. „Ich bin DJ im Dröönläänd bei den
90er-Partys. Und hier im KASCH mache ich die Elektro-Area.“ Seine
DJ-Geschichten laufen nebenberuflich. „Ich habe ein Kleingewerbe im
Rathaus angemeldet. Und dann kam noch ein riesiger Fragebogen vom
Finanzamt.“ – Veranstaltungskaufleute arbeiten oft am Wochenende. „Wenn
du Kultur und Partys machst, arbeitest du, wenn andere ihren Spaß haben.
Das gefällt mir. Ich brauche Action. Sonst kannst du es lassen.“ Wer
sollte es machen? „Jeder, der Lust hat zu organisieren. Der Spaß an
Veranstaltungen und Menschenkontakt hat. Der offen ist für neues. Im
Kulturhaus musst du offener sein, als in einer Eventagentur. Du hast
viel Kontakt mit verschiedensten Personen. Wer introvertiert ist, sollte
die Finger davon lassen.“ Zum Abschalten spielt Tietje Computerspiele
und gönnt sich Ruhepausen zu Hause. Wenn Wochenenden frei sind, geht er
zusammen mit seiner Freundin auf andere Veranstaltungen. Dass er am
Wochenende seltener Zeit hat, hat sie akzeptiert.
Zur SacheVeranstaltungskaufleute
planen, organisieren, bewerben und führen Veranstaltungen durch von der
Idee bis zum Aufräumen. „Das klingt erstmal trocken, wenn man das so
erzählt. Und man investiert viel Zeit in eine Veranstaltung, die dann
vielleicht nur zwei Stunden dauert. Die Planung ist elementar wichtig,
damit die Veranstaltung stresslos läuft.“ Belastbarkeit und Ausdauer
sind gefragt. Es gibt auch Tage, die nicht acht Stunden dauern. Gesund
und kräftig schadet nicht. „Beim hauseigenen Flohmarkt Tische
aufstellen, oder Stühle stellen, Mikrofon-, Technik- und Leinwandaufbau
das können Frauen auch.“ Einige aus seiner Schule sitzen nur am
Schreibtisch. „Bürojobmäßig. Das KASCH ist kein großer Messebetrieb, bei
dem man nur am PC sitzt.“ 40-Stundenwoche heißt nicht Bürozeiten. Es
gibt normale Tage von 10 bis 18 Uhr. Nach der Berufsschule ist
eigentlich frei. „Aber wenn da abends was ansteht, komme ich auch von 17
bis 22 Uhr nochmal vorbei. Das ist komplett flexibel.“ Tietje arbeitet
viel an Wochenenden. Eine andere Zeiteinteilung ist oft angesagt: „Ist
am Wochenende voll Action im Haus und ich schreibe Montag eine Klausur,
muss ich schon Donnerstag lernen, weil ich danach keine Zeit habe.“
Büro und SaalDie
Schulfächer heißen Rechnungswesen, Marketing, VWL, Rechte und Pflichten
des Azubis … „Klingt langweilig und ist es auch. Das ist der komplette
Kontrast zur Ausbildung.“ An normalen Arbeitstagen beantwortet Tietje
seine Mails, hat mit den Kollegen Organisationsgespräche, erhält
Aufgaben, plant eigene Veranstaltungen. Nach dem Bürodienst geht er
runter ins Infobüro mit Kartenvorverkauf, Telefonzentrale und kann
parallel am Rechner weitermachen. Ein Tag mit Veranstaltung sieht
allerdings ganz anders aus: Da erledigt er die Wunschliste der Künstler
vom Ingwertee bis zum Essen. Er macht die Planung für die Aushilfen vom
Aufbauteam. „Eine Minute vorher abzusagen, da stehe ich nicht drauf.“
Verbindlichkeit ist angesagt. Wie viele Stuhlreihen und Stehtische für
den Saal? Die Anzahl der Seitenstühle je nach Vorverkauf. „Wo hängen wir
den Saal hinten ab, dass er nicht zu groß ist.“ Kontrolle dort und
Ansprechpartner für die Künstler. Einweisung der
Veranstaltungstechniker. Alle begrüßen und auf dem Laufenden halten.
Tietje hat die Uhr im Blick. „Gleich Soundcheck, pünktlich warmes Essen
für die Künstler. - Ich bin so ‘n bisschen der Papi für den Haufen.“
Eine halbe Stunde vor der Veranstaltung ist Einlass. Falls einer mit
Rollstuhl ohne Anmeldung kommt, sorgt er für eine Platzlösung. „Wenn die
Veranstaltung läuft, gucken wir uns das an.“ In der Pause zu den
Künstlern gehen, ob alles in Ordnung ist. Zweite Hälfte und nach dem
Konzert Feedbackgespräche mit Publikum und Protagonisten. Der Abbau ist
auch am gleichen Abend. „Wir wollen den Saal blank empfangen und blank
zurückgeben – und nur nach Absprache etwas stehenlassen für den
Nächsten.“ 16 bis 23 Uhr ist die normale Spätschicht.
Wohin?Und
nach der Ausbildung das ‚Hurricane‘ organisieren oder in die weite
Welt? „Das brauche ich nicht. Eine Übernahme beim KASCH wäre
interessant. Ich bleibe auf jeden Fall regional. Ich glaube, es ist
schöner, hier mein Netzwerk auszubauen. Das hat mehr Tiefe und ist nicht
so oberflächlich.“
Torftipp: 1) KASCH: Sehr
empfehlenswert! Termine siehe Kulturkalender. 2) FSJ: www.lkjnds.de oder
www.freiwilligendienste-rs.de; 3) Dröönläänd: www.droen.de