Text: Götz Paschen / Fotos: Götz Paschen, Oliver Hofmann, Hemin Suthar/pexels.com, www.bischoff-sottrum.de
„Die
Sägewerke arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Holz ist genug da. Es wird
zu viel exportiert. Die Amerikaner bezahlen jeden Preis. Die Qualität
ist für die Amerikaner nicht so wichtig. Wir haben in Europa einen
höheren Qualitätsanspruch.“ Hans-Hermann Bischoff (57) führt in vierter
Generation die Zimmerei und den Ingenieur-Holzbau ‚Hermann Bischoff
GmbH‘ in Sottrum. „KG-Rohr ist ganz knapp. Das soll so schlimm sein,
dass Klempner in Bremen die Baumärkte abfahren und Meterenden kaufen.
Normales NYM-Kabel für Elektriker ist auch knapp. Das ist ein
Allerweltskabel. Laut Handwerkerberichten ist es online teilweise aus
der Liste beim Großhändler raus. Es taucht da nicht mehr auf im Angebot.
Das ist ein SAP-Automatismus (von Seiten der Programmierung, Anm. pas).
Was nicht vorrätig ist, wird nicht angeboten.“ Der Preis für Dachlatten
sei von März 2021 von 75 Cent netto für den laufenden Meter bis Juni
2021 auf 2,20 gestiegen. Also fast verdreifacht. „Eine Latte kostet elf
Euro netto. Das ist doch nicht mehr normal für fünf Meter und steht in
keinem Verhältnis.“ Es geht nicht um knappe Spezialgüter. Wir reden hier
von dem Grundfutter der Bauindustrie. Bei den Dämmstoffen sind
beispielsweise Holzweichfaserplatten kurzfristig nicht zu kriegen, nur
mit acht bis zehn Wochen Lieferzeit. „Die werden kontingentiert. Die
Firmen werden bei den Händlern in Kontingente aufgenommen: Jeder kriegt
etwas ab, aber zu wenig. Er kriegt nicht die Menge, die er haben will.
Wir dürfen uns in Listen eintragen. Das gab es früher nicht.“ Früher hat
Bischoff montags 500 Quadratmeter Platten bestellt, die waren sofort
verfügbar und wurden in derselben Woche geliefert. „Mit Holzweichfaser
ging das 2020 schon los. Davor war alles in Ordnung.“
Stahl, Ziegel, HolzBranchenkenner
vermuten 20 bis 35 % Preissteigerung bei Baumaterialien von März 2020
zu März 2021. Wie sieht es beim Stahl aus? „Da habe ich keinen
Überblick. Er ist auch teuer geworden, aber ich habe mit Holz genug
Probleme. Bei Ziegeln sei es nicht so heftig, sagte mir ein Rohbauer.“
Also verliert das Holzhaus heute den Preisvergleich zum Steinhaus? „Aber
das Wohnklima und die bessere CO₂-Bilanz beim Holzhaus sind manchen
Leuten auch was wert. Die Produktion von Zement ist derartig
klimaschädlich, schon deshalb sollte man mit Holz bauen.“ Von dem
steigenden Holzpreis habe der Forstwirt nichts. „Bei dem kommt da nichts
von an. Die Rohware ist preisstabil. Sobald der Veredler das in die
Finger kriegt, wird es teuer. Die Sägewerke arbeiten Vollgas in mehreren
Schichten. Der Bedarf ist da, gepusht durch den Export. Bei uns läuft
die Bauwirtschaft auch.“
Haus statt UrlaubDurch
Corona saßen viele Leute im Homeoffice und waren nicht im Urlaub. Es
ist Geld genug da. Sie sagen: ‚Wir machen die Terrasse neu.‘ „Und dann
muss Holz her. Das Geld vom Urlaub haben sie ins Haus und in den Garten
gesteckt. Und das hat dann auch mit Holz zu tun. Deswegen waren die
Baumärkte so überrannt.“ Die Leute sitzen zu Hause, haben Zeit und Geld
und wollen was bewegen. Es gibt keine Verzinsung auf der Bank, also
stecken sie das Geld ins Haus. Durch Corona waren viele Produktionen
auch in Osteuropa teilweise stillgelegt. „Die Kapazitäten waren nicht
da.“ Eine Vermutung in der Branche ist: Wenn jetzt wieder ordentlich
produziert wird, hat sich die Delle im Herbst / Winter wieder
eingerenkt. Unabhängig von der Verfügbarkeit ist für Bischoff klar: „Im
Holzbereich wird der Preis nie wieder das alte niedrige Niveau
erreichen. Konstruktionsvollholz für den Dachstuhl war im Juni dreimal
so teuer wie im März. Wir haben uns früher über 5 Euro Differenz beim
Kubikmeter unterhalten. Heute haben wir 50-Euro-Schritte in einer
Woche.“
Internationaler MarktBischoff zitiert einen
seiner Holzhändler. Der Nadelschnittholzverbrauch 2020 lag hierzulande
auf dem Rekordhoch von 20,4 Millionen Kubikmetern. Die deutsche
Sägeindustrie hat 25 Millionen Kubikmeter produziert. Passt doch alles.
Gäbe es den Export nicht. Der hat 9 Millionen Kubikmeter in lukrativere
Auslandsmärkte verkauft. Schon ist Deutschland unterversorgt, schon
steigen die Preise. China und die USA sind die Hauptexportadressen bei
dieser Entwicklung. Das Wirtschaftswachstum in China lag im ersten
Quartal 2021 um18,5 Prozent über dem Vorjahr. Es habe die Nachfrage nach
Holz explodieren lassen. Die Sperrung des Suez-Kanals wegen der Havarie
des Containerfrachters ‚Ever Given‘ habe die Situation noch
verschlechtert. Leercontainer sind aktuell rar. Schaut man Richtung
Westen fehlt auch in den USA Holz, das aus Europa importiert wird.
Aufgrund von Corona stellten in Canada Sägewerke über Wochen ihre Arbeit
ein. So entstanden Versorgungslücken für den amerikanischen Markt.
Hamsterkäufe und Spekulationsgeschäfte mit der Ware Holz stören die
Situation zusätzlich.
KurzarbeitKommt
im Baugewerbe Kurzarbeit im Sommer, trotz voller Auftragsbücher? „Es
wird zu Kurzarbeit kommen: Wenn nichts da ist, kannst du nichts
verarbeiten. Es ist noch nicht soweit, dass wir uns gegenseitig anrufen.
Und wer gibt jetzt was ab?“ Bischoff erklärt, dass man nachhaltige
Lieferantenbeziehungen haben muss. „Wer nur zwischen den Lieferanten
hin- und hergesprungen ist und auf den Preis geachtet hat, kriegt jetzt
nichts mehr.“ Geiz ist geil, war langfristig noch nie eine kluge
Strategie. Kommt eine Bestellung von Holz in undurchsichtiger Folie
ungehobelt an, kann das keiner sehen. Bischoff hobelt die Lieferung dann
nach und kürzt dem Händler die Rechnung nicht, was möglich wäre. Es
gibt ein Telefonat, und beim nächsten Mal wird ihm dann geholfen, wenn
er etwas hat. „Man muss ins Gespräch gehen und gemeinsam eine Lösung
finden. Die Holzhändler beliefern zurzeit nur Stammkunden. Neukunden
kriegen aktuell nichts.“ Bischoff ist die vierte Generation im Betrieb.
Strategie in Holz ist hier Teil der DNA, die vererbt wird. Ebenso die
guten Beziehungen zu den Holzhändlern. Wird es bei ihm aufgrund von
Materialmangel Kurzarbeit geben? „Ich selber rechne damit nicht,
aufgrund meiner nachhaltigen Lieferantenbeziehungen. Was meinst du, wie
andere mit ihren Lieferanten umgehen? Der Lieferant ist Partner und
keiner, der was herbringen darf. Den muss man entsprechend behandeln.
Nur das ist nachhaltig.“
Vierte bis fünfte GenerationWer
bisher dachte, ein kerniger Handwerker muss kernig mit seinen
Lieferanten umspringen, liegt falsch. Bei den Bischoffs hat nachhaltige
Geschäftspolitik Tradition. Sonst würde es den Betrieb nicht schon so
lange geben. Ebenfalls zur Tradition gehört der Vorname Hermann: Das
Unternehmen wurde von Hans-Hermann Bischoffs Uropa Hermann 1890
gegründet. In zweiter Generation leitete der zweitgeborene Johann
Bischoff den Betrieb. (Sein Bruder hieß Hermann). In dritter Generation
war Vater Hermann Bischoff am Ball. Aktuell leitet Hans-Hermann Bischoff
die Geschicke der Firma. Er ist Zimmerer, Diplom-Ingenieur Fachbereich
Architektur, Betriebswirt des Handwerks, Gebäudeenergieberater im
Handwerk, seit 1993 mit in der Geschäftsführung und seit der
Firmenübernahme 2010 alleiniger Geschäftsführer. Sein Sohn Jan-Hermann
(16) hat kürzlich erst ein Praktikum im Sägewerk absolviert. Der wäre
dann die fünfte Generation. Der Vater über seinen 16-Jährigen und dessen
Berufswünsche: „Sein Trend geht auch in Richtung Holz. Zurzeit hat die
Schule Vorrang. Aber er hilft auch schon mal mit und will dann auch ran.
Jan-Hermann ist ein Anfasser.“
PreisgleitklauselnWas
bedeuten nun die wackeligen Preise für den Alltag? Wer als Handwerker
seriös anbieten will, muss ‚Preisgleitklauseln‘ in seine Angebote
einbauen, weil die Einkaufspreise zu sehr schwanken. „Ein Riesenproblem
ist dabei, wenn du alte Verträge mit Bauherren hast. Bei der
öffentlichen Hand wird nachverhandelt aufgrund der ‚Entziehung der
Geschäftsgrundlage‘ (BGB).“ Dort wird bereits mit Preisgleitklauseln
wegen der schwankenden Materialpreise gearbeitet. Der finale Preis wird
kurz vor Ausführungsbeginn festgelegt. „Man macht ein Angebot, das
hinsichtlich der Materialpreise nur acht Tage gültig ist. Das muss im
Auftragsfalle an die aktuellen Preise angepasst werden.“ Der private
Bauherr hat heute entsprechend Probleme, Angebote reinzukriegen, die
verbindlich sind. „Den Handwerkern und Holzhändlern geht es genauso. Die
haben auch beide keine Preissicherheit.“ Eine geringere Bautätigkeit
aufgrund gestiegener Preise hält der Handwerker für möglich. „Wenn alle
Kommunen und Häuslebauer geschätzt 15 bis 20 % mehr für ein Gebäude
ausgeben müssen, wird sich manch einer überlegen, ob er das macht oder
ob die Bank mitmacht.“
Zuviel BewegungDie BRD hat 11,4
Millionen Hektar Wald, die USA haben 304 Millionen Hektar. Wieso der
Export dorthin? Es gab großflächige Waldbrände in Kalifornien. „Das ist
ein Faktor, aber das kann doch nicht alles sein. Joe Biden hat jetzt
eine billionenschwere Konjunkturspritze auf den Markt geworfen.
Dementsprechend ist auch Geld da.“ Andere Länder wie Russland sorgen
dafür, dass kein Rohholz (Stämme) das Land mehr verlässt und in Europa
veredelt wird. „Die wollen die Wertschöpfung im eigenen Land behalten.
Früher wurde Rohware hierher geschafft. Dann haben wir das gesägt,
gehobelt, veredelt und so weiter. Ob die Russen das durchhalten, keine
Ahnung.“ An vielen Stellen in Deutschland wird aktuell der Ruf nach
staatlicher Regulierung laut: Inlandversorgung vor Export! Einen
Exportstopp in Drittstaaten auf EU-Ebene zu prüfen, fordert zum Beispiel
der SPD-Bundestagsabgeordnete Nezahat Baradari. „So gesehen wäre das
der deutschen Bauwirtschaft zuträglich. Dann gingen die Preise auch
wieder runter. Der Nachteil wäre bei den Sägewerken.“ Die Sägewerke und
Holzhändler machen Plus, wenn der Festmeter Fichte von 30 auf 90 Euro
steigt. Fichte ist das normale Bauholz. Tanne wird mehr in
Süddeutschland verwendet. ‚Fi/Ta‘ kommt manchmal gemischt im Sägewerk
an. „Den Unterschied siehst du am lebenden Stamm, ob der Zapfen hängt
oder steht.“ Durch die Verwerfungen auf dem Markt für Baumaterialien
fehlt die Planungssicherheit. Machen für Betriebe Hamsterkäufe Sinn? „Es
macht keinen Sinn. Ich weiß doch gar nicht, was für Aufträge kommen.
Und es ist gebundenes Kapital und stört die Liquidität.“
HolzrecyclingSanieren
im Bestand verbraucht weniger Rohstoffe als Abriss und Neubau. „Das ist
korrekt. Trotzdem ist es ab einem gewissen Baujahr wirtschaftlicher,
das Haus abzureißen. Wenn an dem Haus nichts gemacht worden ist. – Wenn
ständig etwas dran gemacht worden ist, ist das etwas anderes.“ Privat
wirtschaftlicher ist grundsätzlich nicht volkswirtschaftlich und
ökologisch besser. Über Bauschuttabgaben könnte man auch dieses Thema
politisch steuern. – Wird es Baustoffrecycling wie damals bei den
Trümmerfrauen nach dem zweiten Weltkrieg geben aufgrund hoher Preise?
„Nein, das wird es nicht geben.“ Sein Uropa und Opa hätten nur mit Holz,
Ziegeln, Kalk und Eisen gebaut. Heute haben wir dazu noch Kunst-, Dämm-
und Verbundstoffe. „Moderne Bauwerke sind wesentlich schlechter
sortenrein getrennt zu kriegen als ein Haus von 1940.“ Auch wenn beim
Abbruch das Holz getrennt abgefahren wird, eignet sich der
Containerinhalt nicht als Rohstoff. „Für die Span- oder
OSB-Plattenproduktion muss das Holz sauber sein und ohnehin Frischware.
Du weißt nicht, was im Abbruchholz noch alles drinsteckt.“
NachwuchsproblemeDer
Materialmangel ist ein neues Phänomen. Beim Nachwuchs ist das Thema
schon älter. Wer könnte die Lücke füllen? Schaffen die Migranten die
Qualität ‚made in Germany‘ in der ersten Generation? „Bei den Migranten
sind viele dabei, die sehr talentiert sind und Technikinteresse haben.“
Im Haustechnikbereich seien wesentlich mehr in der Ausbildung als im
Bauhauptgewerbe: Holzbau, Maurer, Zimmerer. Wie läuft es in den
Berufsschulen? „Die Probleme sind der Sprache geschuldet. Wir hätten
genauso Probleme in den Ländern.“ Trotz Personalmangels seien die
Lohnforderungen der übrigen Mitarbeiter nicht rasant gestiegen. „Wenn
einer meint, dass er gut ist, kommt er nachfragen. Das ist ganz
natürlich. Das passiert heute aber auch nicht öfter als früher.“ Der
Holzfreund selbst findet Handwerk als Berufsperspektive empfehlenswert.
„Mir persönlich macht der Beruf ja Spaß, unabhängig von den alltäglichen
Querelen, die man mitnehmen muss. Trotzdem hat man da Bock drauf. Eine
Ausbildung im Handwerk ist immer etwas Gutes. Auch wenn man später etwas
anderes macht, wird man davon profitieren.“ Viele Auszubildende kommen
über das Praktikum oder den Ferienjob. „Dann musst du als Chef dafür
sorgen, dass das Praktikum nett ist.“ Oder der Handwerker kennt die
Eltern oder den Vater. Am Praktikum führe aber zur Überprüfung der
Eignung kein Weg vorbei.
HandwerkermangelGibt es den?
„Der ist schon da, und der wird sich noch erheblich verschärfen.“ Der
Bauherr kriegt zwar noch alle Firmen, aber laut Bischoff ist der Trend
da, „dass ich ein Stück Gebäude vom Massivbauhersteller kaufe. Das
Bemühen um Einzelgewerke ist vielen zu stressig. Die wollen nur einen
Ansprechpartner.“ Wer keinen kenne und von Bremen aufs Dorf zieht, hat
das Netzwerk nicht und kauft sich ein Stück Gebäude. Alternativ macht
der Architekt die Zeichnung und besorgt nur die Genehmigung. „Den Rest
organisiere ich als Bauherr selber.“ Die Sortierung der Einzelgewerke
ist terminlich schwierig. „Zurzeit gibt doch kaum noch einer ein Angebot
ab. Es dauert länger, bis man einen Handwerker findet. Man wird keine
sechs Angebote mehr kriegen.“ Es gibt Personal- und Materialprobleme.
Dementsprechend muss der Kunde warten. „Das ist halt so. Die
Amazon-Erwartungshaltung, um 20 Uhr per iPhone bestellt und am nächsten
Tag um 15 Uhr da, die funktioniert hier nicht. Der Kunde muss sich ein
bisschen gedulden.“
ZeitplanWie plant ein Bauherr oder
eine Baudame 2021 ihren / seinen Bau? Man gibt ungefähr einen
realistischen Einzugstermin vor. „Und dann muss man das auf die Kette
kriegen. Es kann passieren, dass sich alles verschiebt. Das ist in
Hochkonjunkturzeiten immer so. Bei den unsicheren Parametern ist das
Material derzeit am kritischsten.“ Muss man spontan nehmen, was frei
ist, auch wenn das Gewerk noch nicht dran ist? „Die Bauleitung wird
aufgrund der Personal- und Materialsituation spannender. Beim Standard
baut das eine auf dem anderen auf. Die Reihenfolge ist beim Bau
vorgegeben. Ich kann ja nicht malen, wenn keine Wände da sind.“
Torftipp: „Geduld“, meint Bischoff.