20 Jahre Torfkurier, der Film






Zweckoptimismus

Opfer oder Souverän?

Von Götz Paschen

Sie lesen ein politisches Buch. Analyse: gut. Darstellung: klar. Gesinnung: anregend. Aber es schwächt Sie. Die Haltung des Autors ist eine defizitäre. Er richtet den Blick überwiegend in den Mangel und nicht in den Ausweg. Ohne Analyse kein Ausweg. Ohne Frage keine Antwort. Aber nach der Frage nicht die nächste Frage, sondern die Antwort. Wer sich im Drama suhlt, kommt nicht raus. Woher die Kraft nehmen, sich zu wehren/etwas zu retten, wenn nicht aus der Perspektive. Alles keine Frage von Intelligenz, Idee, Überblick, Ressourcen … Es ist eine Frage der inneren Haltung. Wer gibt die Richtung vor? Wer hat die Deutungshoheit? Wer darf an mein seelisches Korsett?

Sehen

Nicht die Augen verschließen. Aber auch nicht - aus welcher Lust auch immer - einen Schmand nach dem anderen auf die Seele legen. Beispiel: YouTube. Sie können sich Filme von geprügelten Demonstranten in totalitären Regimen angucken. Und Sie geraten in Wut, weil Ihr Gerechtigkeitssinn rebelliert. Kann man mal machen. Oder Sie gucken sich die Besetzung der Bohrinsel ‚Brent Spar‘ durch Greenpeace-Aktivisten und den Shell-Boykott an. Als das Thema durch ist, und die Aktivisten auf der Bohrinsel jubeln, geht obendrüber ein Regenbogen auf. Da läuft einem ein Schauer den Rücken runter. Achten Sie darauf, ob Sie Ihr Bewusstsein bei Gesprächen, durch Medien oder wie auch immer schwächen oder stärken. Keinem ist geholfen, wenn vor lauter Bewusstsein Ihre Mundwinkel immer tiefer hängen. In anderen Regionen dieser Welt gibt es Menschen, die hatten noch nie etwas. Und die haben in einem Bürgerkrieg oder durch eine Naturkatastrophe selbst das noch verloren. Da sollte es doch für uns Vollversorgte ein leichtes sein, Mut zu schöpfen.

Deutschland
Tut mir leid, ich muss es Ihnen sagen: Besser als hier geht’s nicht. Ich bin nicht phantasielos. Aber uns geht es auf extrem vielen Ebenen großartig: Wohlstand, medizinische Versorgung, Mitbestimmung, Freiheit … Geht besser, aber ist schon echt Kanone. So, das ist unsere Basis. Und von da aus agieren wir. Wenn Sie sich im sozialen Engagement zurückhalten, durch Ihren Lebensstil die Welt zerstören – genießen Sie es. Komm mir keiner mit so halbheiligen Entschuldigungen. Jeder kann alles wissen, jetzt. Und wer die Augen verschließt, den Impetus nicht hat oder nur sich selbst pflegen will: Gerne, aber dann vergnügt. Wem hilft ein schlechtes Gewissen, das zu nichts führt, außer zu schlechten Gefühlen.

Opfer oder Souverän
‚Die da‘, die uns das Leben schwer machen und unsere Welt zerstören, gibt es nicht. Das sind wir selbst. Manche im größeren Stil, manche geringer. Jede Flugmeile, jede Unhöflichkeit … macht die Welt ein bisschen grauer. Jedes Lächeln, jeder Fahrradkilometer … macht sie etwas fröhlicher. Es liegt in Ihrer Hand. Wer sich permanent getreten fühlt, missachtet aus Gründen der Bequemlichkeit, die Möglichkeiten in seinem Rahmen. Denken Sie einmal an die Wende in der DDR. Plötzlich sitzen an einem Tisch Regierung und Opposition und die Deutungshoheit erfährt einen historischen Wandel. Danach sind die anderem am Drücker und die einen laufen Gefahr, für ihr Handeln eingesperrt zu werden. Man sollte seinen historischen Möglichkeiten nicht den Weg verbauen. Machen Sie den Kopf auf für alle Chancen jenseits derer, die Sie sich bisher erlaubt haben zu denken. Wer hat denn gesagt, dass nicht auch Sie eines Tages mit einem ehemals überlegenen Gegner am Tisch sitzen. Und dass Sie dort das Sagen haben, für Gerechtigkeit und eine lebenswerte Zukunft sorgen. Wer behauptet, dass alles so bleibt oder schlimmer wird? Was, wenn alles gut wird? Haben Sie da in Ihrem Kopf und Ihrem Herzen überhaupt Raum für? Würden Sie es aushalten, wenn sich alles zum Guten wendet?

Torftipp: Über die ‚Samtene Revolution‘ lesen und Václav Hável: ‚Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat. Egal wie es ausgeht.‘