März
Alle machen allesMonteur und Schweißer gesucht.
Text: Götz Paschen; Fotos: Götz Paschen, www.velo-lab.de und Amrit Kellner
Was
führt drei Pendler aus dem Landkreis Rotenburg täglich nach Bremen? Am
Lesumdeich, direkt unter der Yachtwerft Meyer, produziert die Manufaktur
‚Velo Lab GmbH‘ pfiffige Last-, Falt- und Stadträder. Anfang 2020
bestand das Team noch aus den beiden Geschäftsführern, dem Griechen
Efstathios Stasinopoulos (44) und Jap Kellner (44) aus Steinfeld, und
einem Minijobber. Heute sind neben den Chefs der Schweißer Torben Harms,
der Holländer David van der Velden als Produktionsleitung, eine
Teilzeitkraft und drei Minijobber aktiv. Die Firma wächst. 2019
produzierte Velo-Lab 50 Lasträder und verdoppelte die Produktion 2020
auf 100 Stück. „Für 2021 sind 400 Räder geplant – das ist ambitioniert.
Wir warten noch auf die Finanzierung der Bank für weitere Maschinen“,
berichtet Kellner, zuständig für Vertrieb und Finanzen. Tim Weber, der
neue Ottersberger Bürgermeister, hat mit dem Velo-Lab-Lastrad, seinem
‚Timmobil‘, den Wahlkampf bestritten und gewonnen. Frank Holle tritt als
Bürgermeisterkandidat mit einem Wahlkampfleihrad für die CDU in
Rotenburg an. „So tolerant sind wir, dass wir das auch der CDU leihen.“
Bei Tim Weber war das Fahrrad Programm. Jahrzehntelang war er ohne
Führerschein unterwegs. Kellner: „Tim wollte unsere Produktion nach
Ottersberg kriegen. Aber wir gehen auf die Bremer Überseeinsel. Es
entsteht ein neues Gelände beim Kellogsturm. Da werden wir besser
wahrgenommen.“
HistorieKellner
berichtet von den Anfängen seines Compagnons, als er noch nicht dabei
war. „Stathis hat 2012 in Griechenland angefangen.“ – Die Griechen
kürzen gerne ihre Vornamen ab. – Schon zu seiner Schulzeit hat der
Grieche Laufräder eingespeicht und damit Geld verdient. Dann kamen
BMX-Rennen, Mountainbike-Rennen und Straßen-Rennen. „15 Jahre ist er in
Griechenland semiprofessionell Radrennen gefahren.“ Zeitgleich liefen
Radlädenjobs und sein Ingenieurstudium Maschinenbau und –design, was in
Griechenland zusammen gehört. Schweißen hat Stathis sich selbst
beigebracht und bei Studentenjobs vertieft. Kellner vergleicht die
Radbranche in Griechenland mit der in Deutschland, „Vier Millionen Räder
werden in Deutschland im Jahr verkauft. In Griechenland nur 80.000. In
Deutschland kostet ein Fahrrad ohne Elektro im Schnitt 700 Euro. In
Griechenland nur 250 Euro. – Ein großer Auftrag hat Stathis nach
Deutschland geholt.“ In Deutschland hatte der Fahrradhersteller mit
seiner Firma ‚Velocipedes Laboratores‘ (griechisch: Fahrradlabor) viel
bessere Chancen. Im Juli 2017 ist seine Werkstatt nach
Bremen-Woltmershausen umgezogen. Sie hat in der ehemaligen Tabakfabrik
auf 50 Quadratmetern die Produktion wieder aufgenommen.
Das DuoIm
September 2017 hat Kellner Stathis zufällig kennengelernt. „Stathis‘
Frau und meine griechische Schwägerin kannten sich aus der Schule. Ich
hatte keine Lust mehr auf einen Chef und suchte was Neues.“ Vorher hat
Kellner bei Aries-Umweltprodukte in Stapel den internationalen Vertrieb
und Einkauf geregelt. Er spricht fließend Englisch und Französisch. „An
einem Mittwoch haben wir uns getroffen, und nach zwei Stunden war die
Zusammenarbeit geklärt. Dann habe ich gekündigt. – Dass wir uns gefunden
haben ist megacool. Die Chemie hat gestimmt. Das muss sich ergeben. Ich
bin viel lieber zu zweit oder dritt unterwegs.“ Es war originelles
Schaffen: Vier Leute auf 50 Quadratmetern, einer schweißt … „Du baust
einen Vertrieb auf neben dem Schweißer und gehst zum Telefonieren auf
den Gang.“ 2018 sind sie rüber nach Burglesum direkt unter Meyers
Yachtwerft: Ein entspannter Vermieter, 160 Quadratmeter im
Gewerbegebiet. Und schon wieder zu klein. 2021 geht es auf die Bremer
Überseeinsel. „450 Quadratmeter im Kellogsgebäude, und wir mittendrin in
diesem Stadtteil mit einer gläsernen Manufaktur.“ Das
Stadtentwicklungkonzept für diese Fläche mit 42 Hektar nennt Kellner
„mördernachhaltig“.
Faltrad FP„Alle
Fahrräder sind aus einem persönlichen Bedarf entstanden: Stathis war in
Athen S-Bahn-Pendler. Sein Rennrad kam in der Bahn nicht gut an.“ Der
Ingenieur entwickelte kurzerhand sein heutiges Modell ‚FP‘ – Folding
Project. Ein Klapprad mit Alu-rahmen, 10-Gang Kettenschaltung, 26
Zoll-Rädern und nur zwölf Kilo Gewicht. Das Faltrad sollte sich falten
lassen, aber auch sportlich fahren. ‚Dann bau‘ ich das selbst. Ich bin
doch Ingenieur.‘ 3.500 Stunden Recherche und Entwicklung stecken drin.
Das entspricht eineinhalb Jahren Arbeit Vollzeit. Aber hier verteilt auf
die Zeit nach Dienstschluss! Der Knüller sind einseitig aufgehängte
Räder. „Das Design stammt von 1920 aus Frankreich und wurde im
Bauhausstil interpretiert. So kannst du schneller den Reifen flicken,
ohne das Rad auszubauen.“ Schick mit praktischem Vorteil. Für den Rahmen
verbauen die Enthusiasten handelsübliche Industriestandard-Alurohre.
Die überdimensionierten Edelstahlachsen sind selbstgedreht. Stathis hat
mit dem FP Designpreise gewonnen. Wegen der schlechten Wirtschaftslage
in Griechenland verlor er seine Stelle. Daraufhin widmete sich der
Ingenieur hauptberuflich dem Fahrradbau. Es gibt Falträder, die sich
wesentlich kleiner falten lassen. „Beim FP lag die Priorität darauf, ein
sportliches Fahrrad zu entwerfen, das sich auch auf die halbe Größe
falten lässt.“
Lastrad KàroAuch
das Zugpferd der Manufaktur war privat motiviert. Beim dritten Kind
hatte Stathis das Lastenrad entworfen. Griechisch Kàro heißt übersetzt
Lastenkarren. Im Herbst ist Kellner im Zug mit dem Lastrad bis Zürich
gereist. „29 Kilo E-Lastenrad sind bei der Deutschen Bahn laut AGB
eigentlich nicht erlaubt.“ Es empfiehlt sich, dafür zwei
Fahrrad-Fahrscheine zu lösen, wie für ein Tandem. „Ich hatte im Oktober
nur nette Schaffner, auch in der Schweiz.“ Dort ist laut Schweizer
Bahn-AGB das längste Rad zwei Meter. Der Schweizer Schaffner meinte:
‚Das ist ja über zwei Meter.‘ Er hat Kellner trotzdem durchgewunken. Das
Lastrad ist vom Maximalgewicht mit Rad, Fahrer und Ladung auf 180 Kilo
begrenzt. „Mit 70 Kilo Ladung fährt es noch gut. Drüber ist zwar
machbar, macht aber keinen Spaß.“ „19 Kilo wiegt das Lastrad ohne Motor
leer – das ist sensationell wenig für einen Transporter.“ Entsprechend
sportlich lässt es sich auch fahren. „Wir verkaufen 2/3 der Produktion
mit E – schweren Herzens – und 1/3 ohne.“. E bedeutet mehr Umsatz, mehr
Gewinn, aber auch mehr Probleme. Der Motor bietet zusätzliche
Fehlerquellen. Puristen fahren ohne. „Ein elektrisches Rad ist nicht so
famos von der Nachhaltigkeit, liegt aber im Vergleich zum Auto immer
noch weit vorne.“ Elektrische Schaltungen verbauen sie aus Prinzip nicht
bei Velo Lab. „Du holst dir über Softwarefehler Schaltprobleme.“ Und
dann folgt eine Geschichte von einem beim Radrennurlaub in Italien, und
am ersten Tag versagt die elektrische Schaltung.
Nackter RahmenEin
Lastrad zu kaufen, das kapiert jeder, aber wer kauft nur einen
Rahmensatz inklusive Vorderradgabel? Also nur das Gestänge plus
Sattelrohr, Ladefläche, Ständer und verlegte Kabel? „Wir wollen Bastler
unterstützen. Es gibt viele Sonderanfragen für Aufbauten …“ Viele Käufer
schrauben selbst, haben eigene Ideen und wollen ihr Rad individuell
aufbauen. „Oder es spielen Kostengründe eine Rolle.“ Das sind Käufer,
die zu Hause das Regal voller Komponenten liegen haben. – Gehen Sie
einmal zu einem echten Radbegeisterten in die Garage oder den Keller. –
Wer viel rumliegen hat, den interessiert der Produktionsengpass bei
Fahrradkomponenten nicht. Dem reicht der Rahmen. „Wir ziehen denen auch
die Schalt- und Bremszüge und Lichtkabel durch die Rohre.“ Hier haben
sie Verständnis für passionierte Tüftler. „Gestern ist erst ein
Rahmenset nach Paris rausgegangen. – Gerade tun wir uns schwer,
Komponenten zu kriegen. Aber innerhalb von zwei Wochen kann ich ein
Rahmenset selbst bauen.“ Da geht es den Produzenten an der Lesum ähnlich
wie der gesamten Branche. Durch den Fahrradboom 2020 sind die
Hersteller im Produktionsrückstand. Es fehlen die Teile. Der Vorteil
dieser kleinen Firma ist, dass sie keine 1.000er-Stückzahlen abfordert.
Da kriegen sie ihren Bedarf an Bremsen, Schaltungen … noch eher
vollständig gedeckt als große Hersteller.
2020Lasträder
mit oder ohne E liegen im Trend. „Wir hatten mehr Bestellungen, als wir
geschafft haben. Wir produzieren nur auf Auftrag. Eigentlich wollen wir
endlich mal mehr produzieren als wir verkaufen. Stathis hatte sein
Lastenrad an einen Kunden verkauft und hatte letztes Jahr vier Monate
kein eigenes Lastenrad.“ Velo Lab folgt einem Produktionsrückstand von
einem Monat. Das klingt moderat. „Aber den haben wir seit 18 Monaten.
Wir hängen immer einen Monat hinterher.“ Kellner beklagt den
Teilemangel. „Das ist eine Katastrophe für die Firmen. Das wird dieses
Jahr ein großes Problem. Die Hersteller können keine Liefertermine
nennen, weil die Teile fehlen.“ 100er- oder 1.000er-Schritte seien bei
großen Herstellern die Tagesproduktionsgrößen bei Fahrrädern. Wer seine
Rahmen in Fernost produzieren lässt und keine Teile hat, kann nicht
arbeiten. „Wir können immerhin weiter Rahmen bauen. Wir sind maximal
flexibel und bieten dem Kunden Alternativen an. Wir brauchen auch nicht
so viele Teile.“ Und sein Geschäftspartner zieht immer wieder einen
Joker aus der Tasche: „Stathis besorgt uns aktuell Teile von einem
Großhändler aus Griechenland.“ Der Vorteil der Manufaktur ist, dass sie
sehr persönliche Verbindungen zu Lieferanten pflegen. „Die mögen uns,
weil wir eine immense Produktionstiefe haben. – Andere erklären uns für
bekloppt, dass wir in Deutschland produzieren.“ Im Geschäftsleben spielt
zum Glück Sympathie doch eine Rolle. Wer in Deutschland selber
schweißt, sammelt Sympathiepunkte ohne Ende.
FernostDie
Geschäftsführer sind hier an der Lesum sogar so wildgeworden, dass sie
ihre Rohre selber von Hand schneiden. „Das ist günstiger, als 100 Stück
lasern zu lassen, weil die Produktion sich permanent wandelt.“ Die fünf
großen deutschen Lastradhersteller lassen ihre Rahmen in Asien
herstellen. Kellner meint, Rahmenproduktion in Fernost lohne sich auch
in ihrer Stückzahl nicht. „Wenn du dann ein Problem hast, musst du
ziemlich groß sein, um da nicht dran kaputt zu gehen.“ Geld zu sparen,
ist für sie nicht das Hauptkriterium. Velo Lab will die Produktion in
Deutschland haben. Sie haben auch Vorbilder, die ebenfalls seit 20
Jahren alles in Deutschland produzieren. „Alle, die sich auf Fernost
verlassen hatten, haben coronamäßig die Arschkarte gehabt.“ Das ist
Klartext. Kellner macht auch die asiatische Kommunikationskultur zu
schaffen. Sie sei zwar geprägt von Höflichkeit, aber dadurch mangele ihr
oft die Realitätsnähe. „In Hamburg kriege ich auf meine Anfrage eine
klare Ansage. Ruf mal in Taiwan an …“
AluminiumEin
Vorteil vom Alurahmen ist sein geringes Gewicht. Stasinopoulos ist
begeistert von Aluminium: „Weil es sich unendlich recyceln lässt, ohne
seine Eigenschaften zu verlieren. Bei der Anfangsproduktion ist der
energetische Aufwand sehr hoch. Aber 80 % vom Aluminium sind
Recycling-Aluminium.“ In Bremen verwenden sie griechisches Aluminium.
Griechenland habe die größten Bauxitvorkommen in Europa. Das Mineral ist
die Basis für die Aluminiumproduktion. „Griechisches Aluminium hat nur
1/3 des CO2-Ausstoßes von asiatischer Aluherstellung.“ Als Stasinopoulos
seine Produktion noch in Griechenland hatte, gab es die Alurohre in der
Nachbarschaft. Er hat die Sechsmeterprofile halbiert und mit dem
Lastrad nach Hause gefahren.
PflichtwegeMit der
Schaltung am Lastrad könnte man sogar in der Berge, aber sie taugt auch
was in der Ebene. Kellner: „Eine schöne Übersetzung mit großer
Bandbreite. Die muss auch für die Mutti gut passen, die in die Kita
radelt.“ Kellner fährt 8.000 Kilometer im Jahr. Im Sommer auch jeden
zweiten Tag zur Arbeit, beide Wege 85 Kilometer mit seinem Kàro mit
Motor. „Es fährt nicht wesentlich anders als ein normales Rad.“ Die
Geometrie ist eine Mountainbike-Geometrie mit 72 Grad Lenkwinkel am
Steuerrohr. „Die Arbeitsfahrten vor und nach der Arbeit sind
Lebensqualität: Drei Stunden auf dem Rad pro Tag oder zwei Stunden
hinter dem Steuer? Du fährst mit dem Auto auch nur 50 Stundenkilometer
im Schnitt. Und kommst trotz des schönsten Hörbuchs hier nicht fröhlich
an. Beim Rad habe ich gute Laune.“ Zu der direkten Strecke gibt es für
den Heimweg eine schicke Alternative: „Ich kann auch 17 Kilometer Deich
fahren und dann über Fischerhude zurück mit zehn Kilometern Umweg. Das
ist mir aber zeitlich als Familienvater doch etwas spät.“
FahrspaßWie
lange hält der Akku? Da er den Vertrieb verantwortet, wollte Kellner
wissen, ob das stimmt, was er seinen Kunden erzählt. Als Test hat er mit
seinem Sohn Amrit (17) eine Fünftagestour unternommen. Voll bepackt mit
Campingklüngel sind sie ab Steinfeld ohne Unterstützung 90 Kilometer
bis Oldenburg gefahren. Das lief geschmeidig ab. „Nach dem Döner in
Oldenburg, haben wir die Unterstützung angeschaltet, um zu gucken, wie
weit sie reicht.“ 140 Kilometer sind bei niedrigster Stufe und voller
Beladung an einem Tag absolut praktikabel, wenn man selbst auch gut
tritt. „Das kannst du den Kunden dann auch mit gradem Rücken sagen. –
Der limitierende Faktor war nicht der Akku, sondern der Hintern. Den
merkst du dann trotz Radlerhose.“ Am zweiten Tag locker nach Groningen
rein mit Motor als Entspannungstag. „Aber wir hatten auf Stadt keinen
Bock und sind hoch an die Küste.“ Das Kàro ist nicht nur Alltag, sondern
auch Spaß und genauso als Tourenrad gedacht. „Kunden aus Hamburg sind
ohne Motor mit kleinem Kind vorne drin von Hamburg die Elbe hoch nach
Dresden und dann nach Prag gefahren. Hin und zurück. Die haben kein Auto
und in der Elternzeit diese Tour gemacht.“
QuerdenkerWieso
besteht ihr am Markt? „Wir besetzten eine Nische in der Nische:
Lastenräder leicht und wendig. Wir bauen den Bereich der sportlichen
Lastenräder weiter aus. Andere setzen auf schwer und nur mit Motor.
Deren Räder wiegen 50 Kilo. Die kannst du auch nicht mehr anheben.“ Die
Arbeitsbereiche sind gemischt und nicht preußisch abgegrenzt. „Es hat
sich so ergeben, und wir mögen die Abwechslung. Die Mitarbeiter können
das leisten und haben da Bock drauf. Die Abwechslung zwischen
Schreibtisch und Produktion finde ich super. Nur Schreibtisch finde ich
nicht so befriedigend. Und wir kriegen einen anderen Blickwinkel von
verschiedenen Seiten zur Verbesserung der Abläufe.“ Stasinopoulos
kümmert sich um die Rahmengeometrie und konstruiert alles 3D am
Computer. Er lackiert aber auch kurz drauf schon wieder einen Rahmen.
Kellner kann für Sack und Pack seinen alten Schneiderberuf und seinen
Ingenieur für Bekleidungstechnik aus der Mottenkiste holen. David van
der Velden, sein Nachbar in Steinfeld, lackiert, kümmert sich um
Produktoptimierung, Buchhaltung, Netzwerk und die Produktionsleitung.
Holländer: Fahrrad, was sonst? Extern hergestellt werden nur die
Ausfallenden (da sitzen die Achsen drin) und die Lenkrollen. CNC drehen
und fräsen findet auch in Steinfeld statt.
PreiseDas
Lastrad in der E-Variante kostet echtes Geld. Wer kauft sich ein Fahrrad
für 4.800 Euro? „Viele junge Familien, die kein Auto haben oder es
ersetzen wollen.“ Kellner rechnet vor, dass der Betrag zwei Jahren
Autokosten entspricht. „Es ist ja egal, ob Wertverfall oder Reparatur,
plus Steuer, Sprit, Versicherung …“ Die Variante ohne Motor ist für
2.800 zu haben. „Ein Umstieg vom Auto aufs Rad, nur weil es billiger
ist? Da habe ich zehn bessere Argumente vorher: Gesundheit, Emotionen … –
du kannst nicht Fahrrad fahren und schlechte Laune haben.“ Und wer gut
verdient, kriege durch die Steuerersparnis bei der Steuererklärung über
die Arbeitswege, die er angeben kann, den Kaufpreis zu einem guten Teil
zurück. Verabschieden wir uns also von der Denke, ein Fahrrad dürfe nur
500 Euro kosten. Die Preise variieren leicht: Sie verkaufen das Lastrad
in den vier Größen XS, M, XL, XXL für Fahrer/innen von 150 bis 205
Zentimetern Größe. Wer nur den Rahmen haben will, ist mit grob 1.900
Euro dabei.
RadideenWo
geht die Reise hin? Wie entwickelt sich die Straße? Im Stadtbereich
rechnet Kellner mit mehr Lastenrädern und weniger Autos. „Auch unsere
Kinder haben weniger Bock, den Führerschein zu machen. In den Städten
brauchst du kein Auto, und es ist nervig.“ Die politischen Tendenzen
seien entsprechend. „Oslo soll in drei Jahren autofrei sein.“ Im
ländlichen Bereich rechnet Kellner auch generell mit mehr Fahrrad, auch
E-Bike-bedingt. „Lastrad auf dem Dorf geht inzwischen auch.“ Ein Kunde
ist Triathlet und packt das Baby beim Training ins Lastenrad. Ein
Oldenburger Künstler hat ein Bestattungsfahrrad gebaut, auf dessen
Ladefläche ein Sarg passt. Jetzt liegen auch in Bremen Anfragen von
Bestattern vor. „Auf Sonderkonstruktionen haben wir Bock.“ Einen
Radanhänger für die Bremer Logistiklotsen haben sie in Planung. Ein
‚normales Rad‘ gibt es auch im Programm. „Davon machen wir nicht viele.
In dem Preissegment konkurrierst du mit Chinarahmen. Diese Räder können
wir nur direkt verkaufen. Da kriegst du die Margen nicht hin, die der
Handel gewohnt ist.“
Die (nahe) Zukunft2021 rechnet
Kellner mit einer riesengroßen Nachfrage. „Die Lieferzeiten für Teile
sind unmöglich hoch. Die Produzenten schaffen die Mengen nicht. Durch
Corona haben wir eine doppelt so hohe Nachfrage, aber auch
Corona-bedingte Produktionsausfälle bei den Komponenten.“ Das wird das
beherrschende Thema der Branche dieses Jahr sein. Wohin geht es mit
Velo-Lab? Wachstum wäre nicht nötig. Mit dem hohen Preis kommt ein
Hersteller auch mit geringen Stückzahlen hin. „30 bis 50 Räder im Jahr
hätten auch zu zweit geklappt.“ Kellner kennt 36 Lastradproduzenten.
„1/3 der Produzenten machen 50 Räder und weniger.“ Die Fahrradbranche
ist eine kleine Szene. „Wenn du zweimal auf der ‚Eurobike‘ in
Friedrichshafen warst, kennst du fast jeden.“ Sie sind umtriebig auf
Messen in Kopenhagen, Utrecht, London … „Da kamst du vor Corona auch mal
raus. Wir haben den kleinsten Messestand mit 12 Quadratmetern.“ Andere
baueen 50 Quadratmeter auf, seien aber von den Produktionszahlen her
kleiner. Es ist für den Betrieb eine spannende Phase: „Start up bist du
fünf Jahre. Wir sind jetzt skale up.“ Jetzt müssten sie aus der
Einzelfertigung in die Serienproduktion gehen. Trotz des Wachstumskurses
will das Fahrradlabor seine Unabhängigkeit wahren. „Wir haben keine
Investoren im Nacken.“ Aber etwas wildgeworden sind sie doch an der
Lesum. „Es ist schon euphorisch, dass wir in der Krisenzeit umziehen,
die Produktion vergrößern und neue Produkte erschließen.“ Und dann? „Die
Perspektive ist, dass wir abkömmlicher sein wollen. Ziel ist: Wir
übernehmen den kreativen Part und haben gute Leuten in der Produktion.“
Stasinopoulos‘ Räder sind in Deutschland gut angekommen. Aber seine
Familie wollte wieder zurück nach Athen. Der Familienvater telefoniert
viel und fährt oft ‚nach Hause‘. Sein Lebenszentrum ist allerdings in
der Werkstatt bei seinen Rädern. Abkömmlicher zu sein, wäre also auch da
ganz praktisch.
Torftipp: 1) Monteur / Schweißer (m/w/d) gesucht. jap@velo-lab.de; 2) www.cargobikekaufpraemien.jetzt