Wer
kümmert sich um sein Testament? „In der Regel ältere Leute ab 50 / 60
Jahren. Vorsorgemaßnahmen sollte jeder treffen. Aufgrund von Unfällen
kann es früher relevant sein. Es ist keine Frage des Alters – die Bäume
stehen für uns alle gleich dicht an der Straße.“ Arthur Intemann (75)
aus Lauenbrück ist Rechtsanwalt und Notar a. D. (außer Dienst) und ‚im
Ruhestand‘ immer noch beratend aktiv. „Mit Erreichen der Altersgrenze 70
erlischt das Notariat. Vor fünf Jahren am 30. Oktober erhielt ich das
Schreiben des Amtsgerichtes, ich möchte bitte mein Siegel abliefern. Das
ist kein besonders schönes Gefühl. Der Gesetzgeber meint, mit 70 wird
man debil.“ Humor hat der Lauenbrücker. – Worum geht es beim Vererben?
„Um das gesamte Vermögen. Alles, was man besitzt: Konten, Immobilien,
die Aktienmehrheit von Daimler Benz … Als besonderer Bereich zu
berücksichtigen sind Gewerbebetriebe und Landwirtschaft. Bei
Gewerbebetrieben mache ich nichts ohne Beteiligung des Steuerberaters.
Das ist mir sonst zu heiß.“
Weiter aktivAls Anwalt
kann Intemann heute weiterhin Testamente, Erbverträge et cetera
vorbereiten, aber seine Entwürfe muss ein aktiver Notar beurkunden. „Der
wird seine Bedenken, die er hat, einarbeiten.“ Intemann kennt etliche
Kollegen in solidem Alter, die ihre Zulassung als Anwalt behalten haben.
„Die gehen, wenn es sein muss, noch vor Gericht. Ich bin auch noch
einige Male dort gewesen. Da wird man ernst genommen.“ Der Senior konnte
sich nicht vorstellen, dass er nur die Füße hochlegt. Er spricht von
‚Rostschutz‘ und im Thema bleiben. „Wenn es erforderlich ist, lese ich
Gesetzestexte, aber überwiegend online.“ Der Nachteil für seine
Mandanten ist, dass keiner ans Telefon geht, wenn Intemann gerade
draußen in seinem Gewächshaus gärtnert. „Ich sehe es gerne wachsen.“ Der
Anwalt kommt aus einer Bauernfamilie und hat sich vor der Gärtnerphase
hobbymäßig der Schafzucht gewidmet: 40 Heidschnucken inklusive Nachzucht
tobten da über seine Wiesen. Zum Schluss waren es 15, bevor er es
aufgab und auf Gemüse umsattelte. „Mit Rollator ist auf der Schafweide
nicht gut vorwärtskommen. Deshalb haben wir verpachtet.“ Dass ein alter
Hase juristisch trotzdem noch gefragt ist, liegt an seinem Soloauftritt.
In Kanzleien bereiteten die Rechtsanwalts- und Notargehilfinnen die
Texte vor. „Der Notar prüft den Entwurf, weil er haftet, liest vor und
beurkundet.“ Beim Notar a. D. ist dagegen alles Chefsache. Allerdings
kann er nur die Vorbereitung der Entwürfe vornehmen. Die Beurkundung
muss bei einem zugelassenen Notar stattfinden. „Der Mandantenvorteil
ist, dass ich intensiver berate.“ Intemanns Fälle kommen über Kontakte
aus seiner vollaktiven Zeit. Seine Expertise wird weiterhin geschätzt.
„Erfahrung ersetzt so manches.“
Testament FormvorschriftWas
gehört zu einem funktionierenden privaten Testament? Überschrift
Testament: unnötig. Floskel Mein letzter Wille: empfohlen. Komplett
handschriftlich: Pflicht! Drunter Ort und Datum: dringend empfohlen.
Unterschrift: Pflicht! „Bei einem gemeinschaftlichen Testament von
Eheleuten schreibt einer komplett mit der Hand (Pflicht). Der andere
ergänzt unter dessen Unterschrift: ‚Dies soll auch mein letzter Wille
sein‘ von Hand (dringend empfohlen) und unterschreibt auch (Pflicht).
Und grundsätzlich gilt: nichts Maschinenschriftliches! „Maschinenschrift
heißt ungültig, ohne Ausnahme.“ Egal, was Sie schreiben oder aufsetzen.
Komplett handschriftlich ist die Formvorschrift. „Es hat sich oft als
gefährlich erwiesen, einfach ein Testamentmuster aus dem Internet
herunterzuladen und abzuschreiben. Ich behaupte, dass mindestens die
Hälfte der privatschriftlichen Testamente nicht das wiedergeben, was der
Verfasser wirklich will. Viele Testamente sind gut gemeint und
nachvollziehbar, aber nicht funktionstüchtig. Besser ist, es formuliert
ein Profi.“ Klar, das bringt dem Notar Aufträge. Empfehlungen von
Anbietern sind nun einmal nicht frei von Interessen. Aber was hilft
falsche Sparsamkeit? Dann landen nach dem Tod des Erblassers, der
Wiederverheiratung der Witwe und nach ihrem Tod relevante Teile des
Vermögens nicht bei den eigenen Kindern, sondern bei einem Dritten.
Glückwunsch! „Rechtliche Beratung kostet Geld. Es ist aber keineswegs
‚unfein‘, zu Beginn mit dem Berater über die Kosten zu sprechen, damit
einen bei Erhalt der Rechnung nicht der Schlag trifft. Der Berater soll
schließlich den Erbfall regeln, nicht herbeiführen.“
Falsche FormulierungenIntemann
empfiehlt Beratung auch, um falsche Auslegung und Streit durch
wasserdichte Formulierungen zu vermeiden. Falsch formuliert könnte eine
Passage im Testament lauten: ‚Mein Haus soll mein Sohn Erich erben. Das
Land erbt meine Tochter Martina.‘ „Die beiden sind dann nur
‚Vermächtnisnehmer‘. Das ist ein schwerer Fehler, der anschließend zu
Verwicklungen führt, weil die ‚Erben‘ nicht genannt sind, sondern nur
die Vermächtnisnehmer. Und Vermächtnisse sind von den Erben zu
erfüllen.“ In der wasserdichten Zone lautet diese Formulierung: „‘Meine
Erben sind Erich und Martina zu gleichen Teilen. Ich treffe folgende
Aufteilungsanordnung: Mein Haus soll mein Sohn Erich erhalten. Das Land
erhält meine Tochter Martina. Sollte einer durch die
Aufteilungsanordnung mehr erhalten als der andere, findet eine
Ausgleichung nicht statt.‘ – Rechtlich ist es so zu betrachten, dass
das, was höher bewertet werden kann, als Vermächtnis gilt.“ Willkommen
im Bereich der Definitionen. Die ‚Erbschaft‘ ist die
Gesamtrechtsnachfolge. Das ‚Vermächtnis‘ ist die Zuwendung einzelner
Vermögenswerte direkt an jemanden Bestimmten. Der kann seinen Anspruch
gegenüber den Erben geltend machen. „Über das Thema
‚Aufteilungsanordnung‘ kann man festlegen, wer was erben soll.“ Ein
Beispiel: Drei Kinder erben zu gleichen Teilen: Alfons das Wohnhaus,
Judith das Ferienhaus und Bert die Ländereien. „Aber es wird nicht
begutachtet und wirtschaftlich ausgeglichen, wenn man es per
Aufteilungsanordnung so verfügt.“
Notariat statt Streit„Streitige
Sachen sind nicht mehr so mein Ding. Ich habe zum Schluss in erster
Linie Notariat gemacht.“ Dass man mit 70 sein Notariat abgeben muss,
wurde vom Bundesverfassungsgericht geprüft und für zulässig erklärt.
„Sehr viele Jüngere mussten ziemlich lange warten, bis im
Amtsgerichtsbezirk des Bewerbers ein Notariat frei wurde.“ Zu Intemanns
Startzeit gab es als Voraussetzung drei Jahre Anwartschaft als Anwalt
und gut. Heute gehört eine Prüfung dazu, die es in sich hat. „Ich finde
die Prüfungen heute gut.“ Es folgt ein Nord-Süd-Vergleich. „Die
Bayrischen Notare tragen zu Recht die Nase ziemlich hoch. Die Prüfung
dort ist extrem streng, und es werden nur die besten zugelassen.“ Freie
Plätze gibt es, wenn Notare ausscheiden, oder die Anzahl der
Notariatsgeschäfte im Bezirk relevant zugenommen hat. Intemann sieht
einen großen Unterschied zwischen Anwaltsnotariat in „preußischen
Gebieten“ und dem reinen Notariat beispielweise in Hamburg und den neuen
Bundesländern. „Das wird sich durchsetzen. Beim Anwaltsnotariat kommt
es häufig zu Interessenkonflikten aufgrund von Problemen mit einer
‚Vorbefassung‘. – Man darf beispielsweise als Notar nicht den Ehevertrag
machen und nachher als Anwalt einen der Ehepartner bei der Scheidung
vertreten.“
Grundkurs Erbfolgea) Ehepaare bei
Zugewinngemeinschaft: Einer stirbt, der Ehepartner erbt die Hälfte. Die
Kinder erben die andere Hälfte durch Anzahl der Kinder: Bei zwei Kindern
jedes Kind ¼ des Gesamtvermögens, also die andere Hälfte durch zwei.
Bei drei Kinder jedes Kind 1/6 des Gesamtvermögens, also die andere
Hälfte durch drei. Kleiner Exkurs ‚Zugewinngemeinschaft‘: „Die
Zugewinngemeinschaft halte ich für gerecht: Beide arbeiten nach ihren
Kräften am Erhalt der Familie und des Vermögens und das, was während der
Ehe erworben wird, steht beiden zu.“ Zieht sie die Kinder groß und geht
später nur Teilzeit arbeiten, und er verdient voll, ist das nur
gerecht. Das weite Feld der Streitigkeiten beim Zugewinn schenken wir
uns hier. Im Scheidungsfall wird beim Zugewinn das Vermögen beider nicht
stumpf durch zwei geteilt. „Zum Zugewinn gehört nicht das, was man
vorher schon hatte und nicht das, was man während der Ehe geerbt oder
geschenkt bekommen hat.“
b) Ehepaare bei Gütertrennung, also ohne
Zugewinn: Der überlebende Ehepartner erbt 1/4. Die Kinder erben die
übrigen ¾ durch Anzahl der Kinder. Kinder heißen im Erbrecht
‚Abkömmlinge‘.
Heiratsvermittler„Ich habe schon durch
gutes Zureden über längere Zeit etliche Paare vor den Traualtar
gebracht. Ganz einfach, weil ich ihnen klargemacht habe, was es im
Erbfall bedeuten würde.“ Bei fehlender Ehe freut sich Dank der
Erbschaftssteuer in erster Linie das Finanzamt. „Der überlebende
Lebensabschnittsgefährte hat bei der Erbschaftssteuer einen Freibetrag
von 20.000 Euro. Alles andere muss er in der höchsten Steuerklasse
versteuern. Und die Rente des Verstorbenen ist weg. Bei Eheleuten wird
sie zur Witwen- oder Witwerrente.“ Sieben bis acht Ehen oder mehr hat
Intemann in seiner aktiven Zeit gestiftet. „Einmal war ich zur Hochzeit
eingeladen. Das war ein nettes Fest. Es gilt die
Verschwiegenheitspflicht auch auf Feiern und gerade da, wenn die Zunge
lockerer wird. Darauf muss man sich absolut verlassen können.“ Bei
Ehegatten liegt der Steuerfreibetrag beim Erbe bei 500.000 Euro, je
Abkömmling bei 400.000. Oberhalb der Freigrenzen wird Erbschaftssteuer
fällig. „Wenn es reell wird, ist der Staat dabei.“
Kinderlosigkeitc)
„Kinderlose Ehepaare sollten sich gegenseitig zu Erben einsetzen. Sonst
würden die Eltern und ersatzweise die Geschwister des Verstorbenen oder
auch die Großeltern neben dem überlebenden Ehepartner miterben.“ Die
gesetzlich Erbfolge ohne jegliche Regelung wäre: ¾ der Ehepartner
(Zugewinn), und ¼ die Eltern, ersatzweise die Geschwister nach Köpfen
als Faustregel. Sonst ½ der Gatte (Gütertrennung) und ½ die Eltern ,
ersatzweise die Geschwister nach Köpfen. – Leben beide Eltern noch? Hat
ein Elternteil noch Abkömmlinge, die nicht verwandt sind …? „Man kann
schon vorher bestimmen, wer nach dem Tode des ‚Längstlebenden‘ der
‚Letzterbe‘ oder die ‚Letzterben‘ sein sollen, wenn beide Ehepartner
verstorben sind. Häufig geht es in Richtung von Neffen und Nichten.“
Ansonsten kommen Stiftungen, gemeinnützige Organisationen oder besonders
gute Freunde in Frage. Intemann hatte schon SOS-Kinderdörfer und einen
Tierschutzverein … als Erben. „Einmal habe ich die Gründung einer
Stiftung durch Erbschaft betreut. Sehr kompliziert. Das möchte ich nicht
jeden Tag machen. Der Stiftungsvorstand war ein ganz Gewitzter und hat
alles in Immobilien angelegt und nicht aufs Konto. Die Mieten fließen
auch heute.“
Wenn Großeltern erbend) Nächstes
Fallbeispiel: Ein Alleinstehender ohne eigene Abkömmlinge, aber mit
Verwandten stirbt. Es erben seine Eltern und die Abkömmlinge der Eltern.
Oder bei verstorbenen Eltern die Großeltern und deren Abkömmlinge. „Da
braucht man in der Regel einen ‚Erbenermittler‘, wenn die Verwandtschaft
sehr weit zurückgeht.“ In unserem Beispiel sind die Eltern auch schon
tot und haben nur den ‚Erblasser‘ (frisch Verstorbenen) als Kind. „Dann
erben die Großeltern. Das sind schon vier. Oder deren Abkömmlinge. Und
die Großeltern der einen Seite sind in zwei Ehen verheiratet gewesen und
haben außerdem noch uneheliche Kinder, um das ein bisschen zu
vereinfachen.“ Erbenermittler ist ein Freiberuf. Die ‚Nachlassgerichte‘
als Abteilung beim Amtsgericht haben solche an der Hand. Intemann kennt
aus seinem Berufsleben ein Beispiel als von den Großeltern ein
Adoptivkind etwas erbte. „Das hat sich gefreut. Es war was da.“ Dann
kommt vom Amtsgericht ein Brief: ‚Sie sind vermutlich Erbe.‘ „Und man
weiß nicht, woraus das Erbe besteht. Das ist Poker. Mit dem Antrag auf
Erbschein hat man das Erbe angenommen.“ Normalerweise nimmt sich der
Empfänger des Briefes einen Anwalt, der sagt: ‚Versuchen sie
herauszufinden, ob das Erbe positiv ist.‘ Guthaben oder Schulden, das
ist hier die Frage. „Von Guthaben kann man bei der Beauftragung eines
Erbenermittlers ausgehen, aber sicher ist es nicht.“
ErbenhaftungSchon
sind wir mitten im Thema ‚Erbenhaftung‘: Der Erbe übernimmt das
Guthaben und haftet für die Verbindlichkeiten des Erblassers. „Man kann
Erbschaften grundsätzlich innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnisnahme
‚ausschlagen‘.“ Die klassischen Gründe sind:
- negative Erbschaft (überwiegend Schulden)
-
belastete Erbschaft mit verpflichtender ‚Nacherbfolge‘. Ich muss das
Geld in meinem Todesfall an festgelegte Personen weitervererben. Der
‚Pflichtteil‘ wäre attraktiver und kann später frei weiter vererbt
werden. Und man verlangt daraufhin den Pflichtteil. „Der Pflichtteil ist
nicht Erbschaft.“
- persönliche Gründe: ‚Von dem will ich nichts.‘
Die
Erbausschlagung wird in der Regel vom Notar gemacht. „Da erfährt man so
einiges an Motiven.“ Sie kostet nur ein paar Euro, „ist aber eine
Zitterpartie, wenn die Mandanten erst am letzten Tag der
Sechswochenfrist kommen.“ Der Notar hat dafür zu sorgen, dass der
Schriftsatz pünktlich beim Nachlassgericht ankommt. Die Amtsgerichte
haben dafür einen ‚fristwahrender Briefkasten‘, der um null Uhr
elektrisch umschaltet. „Was nach 24 Uhr kommt, ist im falschen Fach.“
Vater Staate)
Wenn keine Erben ermittelt werden können, erbt der Staat, in unserem
Fall das Bundesland Niedersachsen. „Die Summen sollen beträchtlich
sein.“
Wiederverheiratung …Obwohl das Thema Erbrecht
maximal theoretisch ist, bewegen wir uns von den Motiven her fast
Vollzeit im Bereich des Stammhirns. Ziel vieler erbrechtlicher
Regelungen ist, den Abwanderungseffekt von Vermögen aus dem
Familienstamm zu vermeiden. Der Zaster soll die eigene Genetik, die
Abkömmlinge, über den Tod hinaus fördern und stützen. „In der Regel ist
das Ziel, das Vermögen im Familienstamm zu halten.“ Das geht teilweise
schief, wenn die Witwe wieder heiratet. Die neue Ehe hat zur Folge, dass
der neue Ehemann aus Posemuckel bei Zugewinngemeinschaft und ihrem Tod
zur Hälfte erbt. Der Anteil der leiblichen Kinder ‚Abkömmlinge‘ der
ersten Ehe wird damit halbiert. „Wenn im gemeinschaftlichen Testament
festgesetzt ist, dass Letzterben die leiblichen Kinder sind, gilt dieses
Testament weiter. Aber der neue Ehemann hätte dann
Pflichtteilsansprüche: bei Zugewinn 25 % (die Hälfte von gesetzlichen 50
%), bei Gütertrennung 12,5 % (die Hälfte von gesetzlichen 25 %).“