Juli
Solardachkataster Verden
Ab 1.9. in Verden: Photovoltaik- und Solarthermieplanung kinderleicht.
Text: Götz Paschen
Fotos: Götz Paschen, www.solardachkataster-osterholz.de, kleVer, Hofgemeinschaft Stedorf
„Das
Solardachkataster ist ein erprobtes Instrument mit Erfolgsgarantie. Ich
wohne in Bremen, und wir sind gewillt auf unserem Dach etwas zu
installieren: Jeder zweite Anbieter hat uns eher verwirrt als
aufgeklärt. Die Frage bei einem Dienstleister ist doch ‚Will er mir oder
will er sich etwas Gutes tun?‘ Das Solardachkataster ist 100 % neutral.
Du kannst dich da einfach durchklicken.“ Janine Schmidt-Curreli (39)
ist Diplom-Volkswirtin und Geschäftsführerin der Klimaschutz- und
Energieagentur gGmbH für den Landkreis Verden (kleVer) mit einer halben
Stelle. Die kleVer ist eine gemeinnützige GmbH. Anteilseigner sind der
Landkreis und alle Kommunen des Landkreises. Laut Kreistagsbeschluss
2016 ist sie mit der Förderung von Maßnahmen zum Klimaschutz im
Landkreis betraut. Seit 2019 ist die kleVer am Start. „Wir müssen
Photovoltaik bauen ohne Ende! Für die Energiewende und um rauszukommen
aus Atom und Kohle, brauchen wir PV (Photovoltaik, Anm. pas). Das ist
eine ultrasaubere Sache. Jeder Eigenheimbesitzer kann den Nutzen davon
haben, auch gut organisierte Mieter. Kein Geld ist kein Grund, nicht in
PV zu investieren. Wir wollen mit den Banken zusammen Programme
auflegen, aufbauend auf bestehenden Kreditprogrammen“, erklärt Corbinian
Schöfinius (37), Diplom-Ingenieur Energie- und Verfahrenstechnik und
Energieeffizienzexperte Mittelstand aus Dörverden. Er ist bei der kleVer
mit halber Stelle als Projektingenieur angestellt. Demnächst kommt noch
eine dritte Kraft dazu zur Fördermittelakquise.
SolardachkatasterSolardachkataster
sind digitale Übersichtslandkarten mit Straßen und allen
Einzelhäusern/-dächern eines Gebietes als dreidimensionales
Oberflächenmodell. Es gibt geschätzt grob vier Dutzend Solardachkataster
deutschlandweit: Sigmaringen, Karlsruhe, Cloppenburg, Gütersloh, Bonn,
Osnabrück dank seiner Uni Vorreiter schon seit 2009, Bremen … und im
Landkreis Osterholz! Alle OHZler können sich freuen und sich jetzt
direkt an den Computer setzen, siehe Torftipp. Alle anderen lesen
weiter. Schöfinius: „Die Dachflächen deines Hauses werden
verschiedenfarbig angezeigt, je nachdem ob sie vom Ertrag bedingt gut,
gut oder sehr gut geeignet sind.“ Schmidt-Curreli: „Es werden die
Gesamtkosten, die Amortisationsdauer, die CO2-Eersparnis … angezeigt und
auch wie autark du sein kannst.“ Man gibt seinen Stromverbrauch ein.
Wer den nicht weiß, die Personenzahl im Haus. Die kennt man ja meistens.
Und zwei bis drei Randbemerkungen wie E-Auto, Wärmepumpe … Dann drückt
man auf den Knopf ‚Ertrag berechnen‘. Schöfinius: „Es ist überhaupt
nicht kompliziert.“ Schmidt-Curreli: „Und es bringt dir sogar Spaß. Das
Solardachkataster ist sehr niederschwellig. Ohne musst du dir einen
Dienstleister aussuchen, der dir alles anbietet. Diese Hürde ist nicht
jeder bereit zu nehmen. Du hast es so demnächst in Sekunden auf dem
Bildschirm. Es ist kinderleicht.“ Zum Schluss gibt es als
Zusammenfassung einen Steckbrief mit Wirtschaftlichkeitsberechnung,
Zahlungsplan mit Erträgen, Zinsen, Tilgung, Jahresergebnis,
Solarkontostand und Restschuld, Eigenverbrauch pro Jahreszeit ... Und je
nach System kann die Software noch einiges mehr. Schöfinius: „Du
klickst dann zusätzlich im Endeffekt auf zwei oder drei Handwerker, die
auch hinterlegt sind und die erhalten automatisch deine Anfrage mit dem
Steckbrief mit den Eckdaten. Eine bruchlose Vernetzung nenne ich das.“
Es sollen alle Solarhandwerker aus der Region eingepflegt werden.
Schmidt-Curreli: „Ich wünsche mir, dass die Wertschöpfung hier nachher
vor Ort stattfindet und dass wir das Geld hier auch vor Ort behalten.“
Gleichzeitig hat der Hausbesitzer eine vernünftige Ertragsanalyse. Die
kann er gleich als Basis für den Kreditantrag seiner Bank vorlegen.
Schmidt-Curreli: „Es ist nicht nur für Private geeignet, sondern auch
unser Türöffner bei Unternehmen nach dem Motto: ‚Wir können ihnen online
zeigen, dass sie die betriebliche Dachfläche wirtschaftlich nutzen
können. Und wir können ihnen für zwei Stunden einen Energieberater
stellen für eine Vorortberatung.‘“
WünscheWarum
gerade ein Solardachkataster als Projekt? Schmidt-Curreli: „Es war auch
ein Wunsch vom Landrat.“ PV ist wieder wirtschaftlich. Langfristig
spart die Anlage Geld, nach einer Amortisationsdauer von 12 bis 13
Jahren. Je nach Dacheignung, Eigenverbrauch und Strompreis auch schon
wesentlich früher. Die Laufzeiten liegen bei 20 Jahren. Schöfinius: „Im
Hinblick auf die Rente ist eine PV-Anlage eine gute Investition. Bei
einer 5 kW-Hausanlage musst du nur noch mit einem Preis von rund 1.600
Euro brutto pro kW rechnen, mit Wechselrichter, aber ohne Speicher.“ Die
Bundespolitik und die harte Konkurrenz haben die deutschen
Modulhersteller erledigt. Schmidt-Curreli: „Module aus Deutschland
konnte mir keiner anbieten.“ Schöfinius: „Der Modulmarkt ist weltweit
nicht abhängig von Deutschland. Bei uns ist die PV-Modulindustrie
kaputt. Aber die ausländischen Module sind technisch auch hervorragend.“
FluffigProjektstart
für das Solardachkataster war Januar 2020. Schöfinius: „Wir haben vier
Softwareanbieter geprüft. Drei haben sich hier vorgestellt. Uns gefiel
einer, der ein Baukastenprinzip angeboten hat: 2020 machen wir PV, 2021
das Wärmekataster …“ Es gab verschiedene Möglichkeiten vom einfacher
Rechner, bei dem man sich nur schnell durch eine Seite durchklickt, bis
zum komplizierten Anbieter. „Da klickst du dich durch acht Seiten, aber
nach fünf Seiten ist die Hälfte der Nutzer schon abgesprungen.“
Schmidt-Curreli: „Ich habe auf die Visualität geachtet. Ich will was
Schönes haben, das Spaß macht und will nicht gelangweilt werden.“ Ein
absolut wichtiger und vorrangiger Aspekt. Ohne Spaß und Vorteil, kein
Öko. So einfach ist das. Der Ingenieur dazu: „Ich habe auf die
Visualität überhaupt nicht geachtet, nicht einmal bewusst darüber
nachgedacht.“ Ihm waren Aspekte wie Kombination von PV mit Solarthermie
(Strom und Warmwasser vom Dach) und Simulation von korrekten
Investitionskosten wichtig: „Man kann es auch für Solarthermie nutzen.
Oder eine Kombination, dann zieht das Programm ein paar PV-Module ab und
nimmt dafür Solarthermiekollektoren. Laut Schmidt-Curreli erhält man
sehr schnell eine grobe Idee, wo die Reise hingeht: „Du kriegst einen
ersten Eindruck mit Marktkosten, die auch regelmäßig aktualisiert
werden. Die Handwerker- und Zinskosten können marktbedingt etwas
abweichen.“ Entsprechend auch die Ertragssimulationen.
Start SeptemberDie
beiden kleVer-Mitarbeiter haben sich viele Solardachkataster anderer
Kommunen angeschaut. Karlsruhe ist laut Schöfinius sehr weit bei
geodatenbasierten Klimaschutzmaßnahmen. Wie ist der Stand der Dinge in
Verden? Schöfinius: „Das Unternehmen Smart-Geomatics wartet auf unseren
Startschuss. Die könnten jetzt die Daten einfließen lassen und unsere
Spezialitäten mit einpflegen.“ Die kleVer wartet noch auf die Daten von
einer Außenstelle in Verden zur Weitergabe. Ab dann dauert die Umsetzung
sechs bis acht Wochen. Die aktuell anvisierte Nutzungsfreigabe für
Solarfreunde und Eigentümer ist der 1. September diesen Jahres. 20.000
Euro zahlt die kleVer für die Projektlaufzeit der ersten drei Jahre für
Einrichtung und die Servicepauschale, die jährlich nur gering ist. Der
Internetnutzer zahlt gar nichts. Schöfinius: „Ein niederschwelliges
Angebot im Dienste der Bürgerinnen und Bürger.“
DatenerhebungWo
kommen die Landkarten her? Woher kommen die Angaben zu Dachneigung,
Dachausrichtung … Der Ingenieur: „Für die Datenerhebung wird
grundsätzlich alle vier Jahre geflogen. Das machen private Dienstleister
beauftragt von den Landesvermessungsämtern deutschlandweit.“ Aus der
Luft werden zwölf Laserpunkte pro Quadratmeter geschossen. Beim
Datenkauf erhält der Nutzer mindestens acht brauchbare Punkte pro
Quadratmeter als Lieferverpflichtung. Aus den Lasermessungen ergeben
sich detaillierte Geländeprofile, also auch Hausbreiten und -höhen, die
Dachausrichtung (Himmelsrichtung) und –neigung (Winkel zur Sonne), die
Höhe der umstehenden Bäume und die entsprechende Dachbeschattung.
„Verschattungsgrade durch Bäume, Gauben, Silos, das Nachbarhaus – egal
was im Weg steht. Die Kataster liefern alles. Die Daten gibt es für ganz
Deutschland. Jedes Bundesland erhebt sie selber.“ In der letzten
Programmabfrage entscheidet der Eigentümer, was er will: Maximale
Belegung? Maximale Autarkie? Optimale Wirtschaftlichkeit? Einen
Speicher? „Mein Gefühl zum Thema Speicher ist: ‚Einer alleine ist immer
zu wenige‘ – ich favorisiere intelligente Netze als Speichersysteme.
Aber beides ist kein Widerspruch.“
DatenKlingt alles
prima, und fühlt sich trotzdem an wie volle Überwachung von oben.
Schöfinius: „Hier hat die Datensammlung aber einmal einen ökologischen
Vorteil. Wir nutzen nur Daten, die schon vom Land erhoben wurden und die
uns vom Land Niedersachsen zur Verfügung gestellt werden. – Ich sehe
das auch kritisch. Die Tatsache ist schon krass, da wollen wir uns
nichts vormachen. Aber wir nutzen nur tatsächlich existierende Daten.
Übrigens arbeiten alle Kommunen mit Geoinformationssystemen (GIS) mit
eingezeichneten Abwasserleitungen, Telefonleitungen … Das GIS ist ein
fundamentales Arbeitsgerät für die Verwaltung in Kommunen mit
transparentem Einblick für die Bauleitplanung etc.“
FörderdschungelIm
Zusammenhang mit erneuerbarer Energie, gibt es recht übersichtliche
Förderungen, aber es geht auch kompliziert. Schmidt-Curelli: „Der
Förderdschungel ist schwer zu verstehen. Ab Ende Juni haben wir im Netz
einen ‚Fördermittelkompass‘ geplant für Heizungsaustausch, PV,
Gebäudeanbau … Man klickt sich durch die individuelle Förderberatung,
und wir bieten externe Ansprechpartner. Der Endverbraucher spart sich
die Qual der Suche. So ist die erste Hürde genommen. Bis auf die Kommune
Verden hat keine andere im Landkreis online einen Link ‚Klimaschutz‘.
Wir übernehmen den Service für die Kommunen des Landkreises und machen
Förderungen sichtbar.“
ZukunftsmusikModul zwei von
Smart-Geomatics neben dem Solardachkataster könnte das Wärmekataster
sein. Man könnte die Hausbaukörper abmessen, das Baujahr überprüfen und
daraus ungefähre Wärmeverbräuche definieren. Antworten daraus könnten
sein: Wo muss am ehesten gedämmt werden? In welchen Quartieren sind die
ersten Schritt am wichtigsten? Gibt es große Gewerbebetriebe mit
Wärmequellen, die an Privathaushalte verteilt werden könnten als
Nahwärme? Welche Quartiere, bestehend aus beispielsweise 60 Häusern,
eignen sich für ein Nahwärmenetz? Schöfinius: „Das Wärmekataster ist das
Fundament für die kommunale Wärmewende, ansonsten gehen die
Bürgermeister blind durch ihre Kommunen, ohne zu wissen ‚Wo sollen wir
eigentlich anfangen?‘“
DynamikSchöfinius sieht in
erster Linie das Potenzial in dieser Fülle an Informationen: „Ich finde
dieses Programm erstaunlich genau. Es motiviert den ganzen Landkreis zur
Prüfung brauchbarer Dächer und PV zu installieren: den Privatmann,
Firmen und Investoren. Der Clou ist, dass die Banken in anderen
Landkreisen das Solardachkataster als Beratungsinstrument für die
Wirtschaftlichkeit nutzen. Ich kenne schon vorher die Rendite, und der
Handwerker bietet nicht umsonst an. Die hinterlegten Preise sind mit
1.200 Euro netto pro kW schon realistisch. Ein Energieberater hat sich
zack zack durchgeklickt und seine Aufgabe schnell erledigt.“ Die
kleVeren selbst wollen es bei Messeauftritten nutzen. Gleichzeit mit dem
Verdener Solardachkataster soll im September eine Solarscheckkampagne
starten für PV und Thermie als Vor-Ort-Beratung. Energieberater kommen
dann zum neutralen Angebotsvergleich. „Wir wollen erklären, wie simpel
PV eigentlich ist. Du kannst mit der Anlage für 8 bis 12 Cent pro
Kilowattstunde Strom produzieren als Eigenheimbesitzer. Aktuell kostet
der Strom 30 Cent. Das macht es lukrativ, auch für Landwirte (22 Cent)
oder Gewerbetreibende (17 bis 21 Cent), die je nach Menge weniger
zahlen. Der Anreiz ist auch: Ich zahle nicht drauf.“ Gutes Gewissen und
fröhliches Konto. Geht doch!
Torftipp:www.solardachkataster-osterholz.de
www.solarkataster-bremen.de/#s=map
www.klever-klima.de