20 Jahre Torfkurier, der Film






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ISI - Idylle statt Investor

Zum Investorensee? – Die Bürgerinitiative ‚ISI‘ will das Bauvorhaben stoppen.

Text: Götz Paschen, Fotos: ISI


Das ‚Seaside Resort‘ des Investors ‚Brüning Family Holding GmbH‘ am Otterstedter See soll laut aktueller Planung 13 Häuser umfassen: 4 auf dem Schotterparkplatz (A), 5 auf der Kegelbahn und Schaukelwiese (B) und 4 hinter dem Haus am See (C). Der gemeindeeigene Wiesenparkplatz (D) soll 190 Parkplätzen sowie 6 Wohnmobilstellplätzen weichen. Die beiden ersten Strände und die Liegewiese dort (E) gehören ebenfalls bis an die Wasserkante zur Immobilie der Brüning Holding. Baurechtlich ist die Bebauung ohne einen Gemeinderatsbeschluss und Zustimmung des Landkreises unmöglich. Die Bürgerinitiative ‚ISI – Idylle statt Investor‘ ist gegen die Bebauung.


Der Investor ‚Brüning Family Holding GmbH‘ will das Panorama auf der Ostseite des Otterstedter Sees durch umfangreiche Bauaktivitäten maßgeblich verändern. Gemeinde- und Ortsrat wurden auf einem nicht öffentlichen Arbeitstreffen über einen ersten Plan informiert. Der Mangel an Transparenz in diesem Verfahren ist unüblich. Aber offensichtlich funktionierte die Geheimhaltung nicht vollständig. Nachbarn und Bevölkerung fallen bei der Auskunft über den Umfang der konkreten Planungen aus allen Wolken. Sie fürchten um ihr Naherholungsgebiet, was optimal funktioniert, allerdings bisher mit drei Fehlern: Einem biologischen, einem optischen und einem akustischen: 1) Die Wasserqualität hängt seit mehr als 20 Jahren durch und führt regelmäßig zu Blaualgenbildung und Badeverboten im Sommer. Ein Problem, das die Gemeinde und das Institut Dr. Nowak seit Jahrzehnten nicht richtig in den Griff kriegen. 2) Das neue Baugebiet ‚Seeblick‘ auf der Westseite verdirbt optisch eine Flanke des Naturpanoramas, was ein selbstgemachtes Problem ist. 3) Die Lautstärke der musikbegeisterten Jugend auf der hinteren Liegewiese stört im Sommer die Anwohner. – Sollte das Investorenprojekt kommen, gäbe es laut Bürgerinitiative ‚ISI – Idylle statt Investor‘ künftig zusätzlich noch mindestens zwei weitere Schönheitsfehler: 4) Die zusätzliche Zerstörung des Panoramas auf der Ostflanke durch ein weiteres Baugebiet direkt am See. 5) Eingeschränkte Naherholung durch allgemeinen Platzmangel im Hochsommer bei Liegeflächen, Parkplätzen … - Wobei kein Gemeinderat verpflichtet ist, einem Investor durch Änderung der Bebauungsplanung zu vernünftigen Bilanzen zu verhelfen. Schon gar nicht zu Lasten eines Naherholungsgebietes mit einem Reiz, der weit über die örtlichen Grenzen hinaus Besucher anzieht. Dieser Reiz hat als Basis drei einfache Elemente: den See, die überwiegend hübsche Aussicht und die Liegewiesen. Dieses Vergnügen gibt es bisher für alle vor Ort ohne Anreise zu null Euro. Diese Idylle steht laut ISI aktuell auf dem Spiel.


Die richtige Frage

Nach aktueller baurechtlicher Sachlage sind die Entwürfe des Investors nicht genehmigungsfähig. Auch nicht in abgespeckter Form. Das war ihm beim Kauf der Immobilie bekannt. Der Gemeinderat müsste die baurechtliche Situation vor Ort erst komplett umkrempeln. Die politische Fragestellung an den Gemeinderat lautet also nicht: In welchem Umfang ist das Projekt realisierbar? Sie lautet richtig: Steht das wirtschaftliche Interesse eines privaten Investors, in einem Naherholungsgebiet der Gemeinde zu bauen, über dem Gemeinwohlinteresse der breiten Bevölkerung, die das Gebiet um den Otterstedter See weiterhin unverändert genießen will? – Sicherlich gibt es im Flecken Ottersberg mindestens 1.000 weitere Grundstücks- und Immobilieneigentümer, die an einer baurechtlichen Veränderung auf ihrem Grundstück zu ihren Gunsten Interesse hätten. Die ihnen dann aber selbst bei geringem Umfang schlicht nicht gewährt würde. Wobei die Argumentation aus dem Rathaus wäre: ‚Ist mit dem Bebauungsplan nicht vereinbar.‘ Ohne dass über Ausnahmen, Änderungen und Sonderrechte diskutiert würde. Ist das gerecht? Wo ist hier die tiefere Logik?


Beschluss 9.6.

Am 9.6.2022 fand eine gemeinsame Sitzung von dem Bauausschuss Ottersberg und dem Ortsrat Otterstedt statt. Hier wurden erstmalig die Bebauungspläne rund um das Haus am See öffentlich vorgestellt. Bei dieser Sitzung haben die Fraktionen von CDU und FGBO für eine Bebauung rund um das Haus am See gestimmt. Eine Vertagung der Entscheidung und zunächst Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern waren nicht erwünscht. Die entsprechenden Vertagungsanträge wurden entsprechend in beiden Gremien von CDU und FGBO abgelehnt.

In ungewöhnlich strammer Gangart wird dieses Bauvorhaben von dem Bürgermeister Tim Willy Weber (FGBO) vorangetrieben. Bereits 14 Tage nach der ersten öffentlichen Vorstellung am 9.6. soll es vom Gemeinderat gegen die kritischen Stimmen aus der Bevölkerung und den anderen Fraktionen abgesegnet werden. – Nun zu den Fakten:


Das Kaufobjekt

Die Brüning Family Holding GmbH hat das Grundstück mit dem Haus am See, den Nebengebäuden und dem Schotterparkplatz, soweit bekannt ist, im Frühjahr 2021 von der Erbengemeinschaft von Seebach gekauft. Zu der Immobilie gehören das Grundstück hinter dem Haus bis zur Straße ‚Zum Pastorensee‘ hoch, ohne den Straßenrandstreifen. Zusätzlich noch die Schaukelwiese vor der Kegelbahn und von dort bis direkt an den See. Ebenfalls die ersten beiden Strände bis direkt zum See, die entsprechenden Liegewiesen und der Schotterparkplatz. Der Grenzverlauf ist also rechts am Schotterparkplatz vom Wasser hoch bis zur Straße, links die Straße entlang, am Weg neben der Kegelbahn wieder bis zum Wasser herunter und die Wasserkante. – Normalerweise läuft es bei Immobilienverkäufen so: Wenn es um wesentliche Gebäude im Flecken geht, wird die Politik von der Verwaltung informiert oder umgekehrt. Das gehört zum guten Ton vor Ort und klappte bisher auch immer gut. Das Haus am See stellt eine Ausnahme dar. Hier fehlte diese Information an alle Gemeinderatsmitglieder.


Die erste Planung

Der erste Entwurf der Anlage trägt den Namen ‚Seaside Resort‘. Die ‚seaside‘ beschreibt korrekt übersetzt die Wasserkante am Meer. Selbst für einen ‚lake‘ ist der Otterstedter See zu klein. Dem Namen fehlen ein paar Kubikmeter Wasser. – Würde die Planung als ‚Countryside Resort‘ auf einen passenden Acker verlegt, ohne Konkurrenz zur Naherholung am See, wäre doch alles in Butter. – Laut Auskunft der Bürgerinitiative ‚ISI – Idylle statt Investor‘ sah die erste Planung des ‚Seaside Resorts‘ wie folgt aus. Es sollen insgesamt auf diesem Grundstück 14 Häuser gebaut werden, meist mehrgeschossig mit bis zu 128 Quadratmetern Wohnfläche. Fünf dieser Häuser stünden auf dem Schotterparkplatz, fünf auf der anderen Seite vom Haus am See, auf der Fläche von Kegelbahn und Schaukelwiese und vier Häuser hinter dem Haus am See zur Straße hoch. Zwischen den beiden ersten Stränden wäre eine Sauna mit öffentlichem WC geplant. Vor der ehemaligen Schaukelwiese sollte ein Spiel- und Fitnessplatz entstehen. Die Parkplätze würden komplett auf den Wiesenparkplatz verlegt, auf die andere Seite von der Straße ‚Zum Pastorensee‘. Die gemeindeeigene Wiese sollte nach Wunsch des Privatinvestors für 190 Park- und 6 Wohnmobilstellplätze komplett in Anspruch genommen werden, mit Stromtankstellen und voller Erschließung. Die Gebäudenutzung sollte neben der Gastronomie eine Mischung aus Dauer- und Ferienwohnungen sein. Die Aussage vom Bürgermeister Tim Willy Weber zu diesem Umfang und der Anzahl an Häusern war vor dem 9.6.: „Das ist nicht die aktuelle Zahl.“ Die Reduzierung um ein Haus auf dem Schotterparkplatz kann man nicht als substanzielle Planänderung betrachten.


Die Akteure

Der Eigentümer, die Brüning Family Holding GmbH, will als Investor das Areal völlig verändern und aus ökonomischer Sicht bestmöglich ausnutzen. Das Bau- und Planungsbüro Bremen Buildings GmbH aus Fischerhude liefert die Entwürfe. Der Ortsrat Otterstedt hat das Thema bisher in keiner Ortsratssitzung öffentlich besprochen. Bekannt wurde der Verkauf durch Nachfrage eines Ortsratsmitgliedes bei der Ortsratssitzung am 20.5.2021 im Rahmen des Tagesordnungspunktes ‚Anfragen, Anregungen, Berichte, Termine‘. Die ersten Pläne selbst sind allerdings bisher weiterhin nicht öffentlich. Der Gemeinderat ist noch nicht beteiligt, weil er noch nicht dran ist. Das ist vom Ablauf her so korrekt. Der Fachdienst Bauen und Wohnen des Landkreises Verden ist ebenfalls noch nicht dran. Trotzdem wird im Hintergrund baureif gezeichnet, gearbeitet und geklärt. Für die Bürgerinitiative ISI ist es jetzt höchste Zeit, große Teile der Bevölkerung zu mobilisieren, wenn sie noch politisch Einfluss nehmen will. Die Ratsmehrheiten verschieben sich nur dadurch, dass ein Großteil der betroffenen Bevölkerung der Politik unmissverständlich signalisiert, wo es langgehen soll. Die Forderung der ISI ist, dass der Gemeinderat sich gegen das Projekt ausspricht und auf eine Bebauung im Bestand dringt. Zu Deutsch: Baumaßnahmen nur auf der Grundfläche, die jetzt bebaut ist und nicht mehr.




Das Logo der Bürgerinitiative ‚ISI – Idylle statt Investor‘ am Otterstedter See.

Die Aktivitäten bisher

Anfang März 2022 wurden dem Ortsrat Otterstedt und dem ‚Ausschuss für Bau, Planung und Gebäudemanagement‘ bei einem nicht öffentlichen ‚Arbeitstreffen‘ die ersten Pläne vom Planungsbüro präsentiert. Zur Information: Der Bauausschuss besteht aus neun Mitgliedern des Gemeinderates. Der Vorteil eines ‚Arbeitstreffens‘ ist, dass es nicht öffentlich sein muss. Dieser Ortsratstermin unter Beteiligung eines Fachausschusses hätte sonst als öffentliche Sitzung stattfinden müssen. Oder die Verwaltung hätte in Absprache mit dem Ausschussvorsitzenden Gründe darlegen müssen, warum die Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit angesetzt wurde. Gesetzliche Regelungen geben dafür jedoch hohe Hürden vor, sodass die Bürger von den Sitzungen der Fachausschüsse im Grunde nur ausgeschlossen werden können, wenn es um Tagesordnungspunkte geht, bei denen Verkaufspreise oder ähnliches genannt oder festgelegt werden. – Entsprechend wäre auch die Vorstellung der ersten Pläne öffentlich gewesen. Der Ortsrat und der Verwaltungschef der Gemeinde, Bürgermeister Tim Willy Weber, haben sich bisher um Geheimhaltung bemüht. Nach der Präsentation der Pläne hat die Verwaltung, also das Bauamt, alle Parteien darum gebeten, eine vertrauliche Stellungnahme zu den Plänen bis zum 23.3.2022 abzugeben. Die Idee war, dass das Bauamt die Fraktionsmeinungen sammelt, aufbereitet und allen Ratsfraktionen zuschickt. Währenddessen scheint das Planungsbüro des Investors Anfang Mai schon mehr zu wissen als die meisten Ratsmitglieder. Denn die Pläne werden aktuell überarbeitet. Nächster regulärer Sitzungstermin ist Donnerstag, der 9.6.2022. Da tagt der Bauausschuss im Rathaus. Bisher sind die Planinhalte in zweiter Version den gewählten Ratsmitgliedern auf offiziellem Wege unbekannt. Dem Bürgermeister Weber offensichtlich nicht, wenn er von reduzierter Häuserzahl spricht. – Die ersten Pläne sind durchgesickert und Teilen der Bevölkerung bekannt. – Aber über ein Jahr nach dem Kauf war immer noch nichts klar und öffentlich. Obwohl im Hintergrund fleißig von dem Planungsbüro gearbeitet wurde.


Die Einordnung

Die Bebauungsplanungen des Investors werden den Bereich noch stärker in Anspruch nehmen und beeinträchtigend verändern: Es würde eine weitere Bodenversiegelung stattfinden. Um die großen Baufelder frei zu machen, müssten viele Bäume gefällt werden. Eine große bauliche Anlage stünde nicht im Verhältnis zur Kleinteiligkeit der vorhandenen Umgebung. Und diese bauliche Wohnanlage stünde dem Erholungsgebiet Otterstedter See in einem überdimensionierten Verhältnis gegenüber. Das sogenannte ‚Einpassungsgebot‘ würde hier vollkommen missachtet. Der Charme und erholsame Charakter des Gebietes würde sich so stark verwandeln, dass das Alleinstellungsmerkmal des Erholungsgebietes, der See mit seiner grünen Parkanlage, für immer zerstört wäre.


Der politische Ablauf

In der Theorie unserer Demokratie sieht der saubere Ablauf eines solchen Verfahrens folgendermaßen aus: Der Ortsrat berät anhand der von der Verwaltung zusammengestellten Unterlagen oder auf eigene Initiative über ein Thema. Er empfiehlt eine bestimmte Vorgehensweise oder lehnt ein Projekt ab. Die Empfehlung oder Ablehnung ist für den Gemeinderat nicht bindend. Nach dem Ortsrat beschäftigt sich einer der Fachausschüsse mit den Vorlagen, in diesem Fall der Fachausschuss für Bauen, Planung und Gebäudemanagement der Gemeinde. Auch die Entscheidung, die der Bauausschuss trifft, ist für den Beschluss, den der Gemeinderat am Ende der Beratungen herbeiführen wird, nicht bindend. Doch in den Fachausschüssen deutet sich an, in welche Richtung sich die Beratungen bewegen. Die Beschlussempfehlungen der einzelnen Fachausschüsse werden an den Verwaltungsausschuss (VA) weitergegeben. Der verhandelt darüber stets in nicht-öffentlicher Sitzung. Das war am 16.6.22 der Fall. Häufig stehen bei VA-Sitzungen zwanzig oder mehr Punkte auf der Tagesordnung. Die Beigeordneten dort sind zusammen mit dem Bürgermeister und einigen Mitarbeitern der Verwaltung unter sich. Daher wird im VA häufig sehr offen und kontrovers über die einzelnen Themen gesprochen. Soweit es den Ottersberger VA betrifft, ist dies allerdings Geschichte: Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in diesem Gremium können die beiden Beigeordneten der Grünen und der SPD zwar noch ihre Stimme erheben, doch ob die Mehrheit aus CDU und FGBO bereit ist, ihre Meinung zur Kenntnis zu nehmen, ist eine andere Frage. Natürlich sind die Fraktionsvorsitzenden angehalten, die Beschlüsse so mit ihren Kollegen durchzusprechen, dass auf der Ratssitzung niemand ausschert. Was im VA entschieden wird, wird zu 98 % auch im Rat so entschieden. Die Beschlussempfehlung vom VA geht in den Gemeinderat. Der VA schreibt das Drehbuch, und im Gemeinderat kann der Bürger sich den Film dazu angucken. Offiziell finden die Entscheidungen im Gemeinderat statt. Die sind dann für die Gemeindeverwaltung bindend. Dann geht das Verfahren an den Fachdienst Bauen und Wohnen im Landkreis Verden. Der Landkreis überprüft, ob das Bauvorhaben genehmigungsfähig ist. Die zwei grundsätzlichen Fragen lauten dort: Ist dieses Grundstück gemäß dem Flächennutzungsplan bebaubar? Und: Entspricht das Projekt dem Bebauungsplan? Hier würde das Projekt ohne Änderungen durch den Gemeinderat aktuell scheitern. Und, sofern das Bauvorhaben nicht dem derzeit gültigen Bebauungsplan entspricht, was der Fall ist: Bewegt sich der Gemeinderat mit seinem Aufstellungsbeschluss, den Flächennutzungsplan und / oder den Bebauungsplan zu ändern, innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Regelungen?


Der baurechtliche Rahmen

Nach aktuellem Baurecht ist das größte Gebiet rund um den Otterstedter See laut Plan ein ‚SOWo‘ - ‚Sondergebiet Wochenendhausgebiet‘. Erlaubt sind direkt am See nur kleine Gebäude mit maximal 48 Quadratmetern Wohnfläche und 16 Quadratmetern für Nebengebäude. ‚Am alten Sportplatz‘ liegt ein neuer Bebauungsplan für Dauerbewohnung vor, der fertig ist. Für das restliche Gebiet rund um den See erarbeitet das Bauamt Planentwürfe, die noch nicht fertig sind. Das Haus am See ist planerisch ein ‚Sondergebiet Gaststätte‘. Integrierte Ferienwohnungen sind in begrenztem Maß möglich und zweigeschossige Bauweise erlaubt. Alles Weitere bedarf einer Änderung des Bebauungsplanes, wenn nicht sogar des Flächennutzungsplanes. Für das Brüning-Projekt müsste ein separater Bebauungsplan aufgestellt werden. In der ersten Fassung ist das Projekt ohne diesen überhaupt nicht genehmigungsfähig, und sicherlich auch nicht in der zweiten. Der Investor will ja im nicht bebaubaren Bereich bauen. Zum zulässigen überbaubaren Bereich gehören aktuell nur das Haus am See und die Kegelbahn. Alles andere liegt nicht im überbaubaren Bereich. Dafür müsste ein Bebauungsplan her, der dann durch alle Gremien gehen muss. Auch eine vorgeschaltete Änderung des Flächennutzungsplanes mit Landkreisbeteiligung könnte nötig sein, weil der Schotterparkplatz kein Bauplatz ist. Jede private Bauherr und jede Baudame kennen die Möglichkeiten der Bebauung auf dem eigenen Grundstück und müssen sich nach ihnen richten. Bei Brünings Aktivitäten soll sich auch diesmal wieder die Bebauungsplanung nach seinen Plänen richten. Sonst funktionieren sie nicht.


Das beschleunigte Verfahren

Die Änderung von Flächennutzungs- und Bebauungsplan darf parallel angeschoben werden. Dazu wird im Gemeinderat ein sogenannter Aufstellungsbeschluss gefasst. (Oder eben nicht!) Dieser muss im Amtsblatt öffentlich bekanntgemacht werden. Im Anschluss daran sind gemäß Baugesetzbuch noch insgesamt elf Verfahrensschritte nacheinander abzuarbeiten. Nach der Veröffentlichung des Aufstellungsbeschlusses im Amtsblatt erfolgt im Regelfall die frühzeitige Beteiligung und Unterrichtung der Öffentlichkeit einschließlich einer Erörterung der Pläne. Klingt sperrig, ist aber wichtig, vor allem, soweit es die ‚Erörterung der Pläne‘ betrifft. Denn wenn die Verwaltung – warum auch immer – Dampf machen will, gibt es die Möglichkeit eines beschleunigten Verfahrens: § 13a BauGB (Baugesetzbuch für ‚Bebauungsplan für die Innenentwicklung’). Ob es zum beschleunigten Verfahren kommen wird, hat Bürgermeister Weber beim Seetreffen mit der ISI am 15.5.2022 nicht näher kommentiert, aber auch nicht abgestritten. Es deutet darauf hin, dass hier wahrscheinlich im beschleunigten Verfahren vorgegangen werden soll. Wobei noch zu prüfen sein wird, ob dieses beschleunigte Verfahren überhaupt angewendet werden darf. Aber sollte es so kommen, fällt ein wichtiger Verfahrensschritt flach. Oder, man könnte, wenn man an ‚Mehr Demokratie‘ glaubt, auch sagen: Es fehlen die wichtigsten Schritte im ganzen Verfahren überhaupt. Denn dann wird es keine frühzeitige Unterrichtung und Erörterung nach §§ 3 und 4 BauGB geben. Und die Verwaltung kann auch von der Umweltprüfung absehen, vom Umweltbericht und von den Angaben in der Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung, welche umweltbezogenen Informationen verfügbar sind. Und es muss auch keine zusammenfassende Erklärung geben. Für die Verwaltung spart das Arbeit, für das Verfahren Zeit. Doch soweit es die Transparenz betrifft, würden gewaltige Abstriche gemacht. – Anlieger haben beim Fachdienst Bauen und Wohnen in Verden das Recht, zu den Plänen eine Stellungnahme abzugeben und sich über den jeweiligen Stand des Verfahrens informieren zu lassen. Alle anderen müssten mit dem vorliebnehmen, was die Verwaltung an spärlichen Informationen herausgibt. Oder die ISI müsste wieder gucken, ob inoffiziell etwas durchsickert. Der Begriff des Anliegers wird beim Landkreis eng gefasst: Es handelt sich um die Grundstückseigentümer, die eine gemeinsame Grenze mit dem Projektgrundstück haben. Ob es überhaupt solche Anlieger gibt, müsste noch geprüft werden.

Aktiv werden, bevor das Panorama baden geht!



Gemengelage im Gemeinderat

Bei der Bürgermeisterwahl am 1.7.2020 konnte Tim Willy Weber (FGBO – Freie Grüne Bürgerliste Ottersberg) sich knapp gegen den CDU-Kandidaten Reiner Sterna durchsetzen. Bei der Gemeinderatswahl am 12.9.2021 lagen SPD, Grüne und FGBO mit über 52 % bei der Mehrheit. Mit dem alternativen Bürgermeister und entsprechender Abstimmungsdisziplin hätten sie nun fröhlich durchregieren können. Aber es kam anders. Die FGBO wagte den Schulterschluss mit der CDU und der FDP (55 %). Anfang Oktober gaben die drei Parteien nach der Wahl eine ‚Kooperation‘, bekannt. Es gibt ein monatliches Treffen von FGBO, CDU und FDP und bei Gemeinderatsbeschlüssen meistens sichtbar gemeinsame Abstimmungen. Man könnte sagen, eine derartige Zusammenarbeit entspricht nur dann demokratischen Grundsätzen, wenn das Interesse daran und die Absicht, sich zusammenzuschließen, vor der Wahl angezeigt wird oder allgemein bekannt ist. Dass sich die FGBO bei ihrem mageren Wahlergebnis der CDU anschließen würde, entspricht wohl kaum dem Wählerwillen. Entsprechendes gilt auch für den Gesinnungswandel des Bürgermeisters, der auch an seiner Parteibasis umstritten ist. Die Mitgliederversammlung der FGBO verhinderte eine Gruppenbildung mit CDU und FDP. Eine Gruppenbildung ist im Gemeinderat noch weitergehend als die aktuelle Kooperation. Die Kooperation reicht für die Mehrheiten aber trotzdem völlig aus. Weber hat seine politische Heimat verlassen und seine Wähler getäuscht. – Die zentrale Leistung der örtlichen CDU ist die Spaltung. Sie spaltet seit Jahren einzelne ‚Gegner‘ aus der Mehrheit des Rot-Grünen Lagers heraus und regiert als eigentliche Minderheit fast immer durch diese Taktik. Zum Nachteil des Otterstedter Sees. Grün, FGBO und Rot schafften es regelmäßig nicht, ihre Absprachen auf eine Linie zu bringen. Ursachen kann man in alten Geschichten oder Personenkonstellationen suchen. Oder ist es einfach Strategie- und Disziplinmangel?


Der Investor

Brüning drückt einer gewachsenen Struktur gerne seinen Stempel auf, wenn er sich mit Immobilien beschäftigt. Ob das dann zu dem vorherigen Bild und in den Ort passt, darüber wird zumindest in Fischerhude wiederholt heftig gestritten. Die Gestaltung eines neuen oder zweiten Ortskerns in Fischerhude ist Ergebnis seiner Aktivitäten. Seine Prognose als Mit-Investor auf dem alten Kelloggs-Gelände in der Bremer Überseestadt ist, dass dort in zehn Jahren die neue Innenstadt sei. Ob sein Gestaltungsdrang nun gewachsene Strukturen missachtet und destruktiv oder besonders innovativ ist, bleibt vor Ort strittig. Seine Investitionspraxis ist disruptiv, löst also Bestehendes auf. Umkrempelehrgeiz: Es muss neu. Selbst wenn es gut war: Es darf nicht bleiben wie es war, auch nicht moderat modernisiert. Bei den Planungen kommt es meist im dörflichen Rahmen zur Überstrapazierung der Grundstücksmöglichkeiten. Was nach sich zieht, dass durch Bebauungsplanänderungen auf dem politischen Weg, die Umgebung an seine Projekte angepasst werden muss. Was allerdings auch schon wiederholt scheiterte.


Die Wertschöpfung

Es gibt Investoren, die solide Erträge auch leise und sozialverträglich erwirtschaften. Das ist eine ethische Frage und eine Frage des Stils und Fingerspitzengefühls. Ein Investor ist oft auf den Rückhalt in der Politik angewiesen, wenn er erfolgreich sein will. Der zentrale Wertschöpfungsmoment im Immobiliengeschehen beim Haus am See ist die Änderung der Bebauungsplanung durch den Gemeinderat und das Glück, wenn der Landkreis das akzeptiert. Das gilt für den Bauern, dessen Acker zu Bauland wird, genauso wie für das Areal rund um das Haus am See, das aktuell nicht bebaut werden darf. Es ist also nicht die Verwaltung, die sagt Bauland. Es ist der Rat, der sagt Bauland oder nicht. Die Verwaltung kann das nicht entscheiden. Der Investor braucht eine Ratsmehrheit und keinen starken Gegenwind aus der Bevölkerung. Und Meinung kann man kaufen: Wie wäre es mit einem Kuhhandel? Die Änderung der Bebauungsplanung gegen die Finanzierungshilfe an die Gemeinde bei der Seesanierung? Das Geld wäre nach der Umwidmung in Bauland da. Beliebtes Steuerungsinstrument der öffentlichen Meinung von Investoren sind Spenden und die Absage von Spendenzusagen bei mangelnder Linientreue. – Wie man Politiker einnordet? Wer wem warum einen Gefallen tut? … Diese Fragen werden wir an dieser Stelle nicht klären.


Informationsstand im Rat

Wer kennt sich von den Mitgliedern im Rat am See wirklich aus? Wer hat die Seegutachten der Beratungsfirma Polyplan komplett gelesen? Das neue Gutachten wird zu denselben Ergebnissen kommen. Wer war bereit, sich in die fundierten und umfangreichen Unterlagen der ehemaligen Bauamtsmitarbeiterin Frau Bodendorf zum Antrag Seesanierung einzuarbeiten? Vermutlich hat auch deshalb nicht die Mehrheit der Ratsmitglieder erfolgreich moniert, dass nach 2018 keine Messberichte mehr über die Wasserqualität veröffentlich wurden. – Welches Ratsmitglied kennt den Zustand der öffentlichen sanitären Anlagen an der DLRG-Bucht am See aus eigenem Erleben? Und wer hat eine sanfte Ahnung vom Naherholungswert für die Wiesengäste? Ratsmitglieder schaffen es meist höchstens bis in den Biergarten des Restaurants. Aber nicht bis auf das Handtuch auf die Liegewiese zwischen das vergnügte Fußvolk. Ist im Gemeinderat allen bekannt, dass bei voller Sommerlast beide Parkplätze zusammen nicht ausreichen? Dass alle Wiesen mit Gästen komplett belegt sind, inklusive der Schaukelwiese neben dem Restaurant? Dass die öffentlichen Toiletten abends zu früh abgeschlossen werden? Dass man im Sommer als flotter Schwimmer nach einer See-überquerung auf dem Rückweg noch die Schaumblasen seiner Schwimmstrecke sehen kann? Dass man keinen weiteren Spielplatz braucht, weil die Strände, der See und die Wiesen der Spielplatz sind? …


Die Fragen

Kann man den Bewohnern der fünf geplanten Häuser statt der Kegelbahn, die so hübsch ohne Gartenzaun im Plan gezeigt werden, eine Abgrenzung verbieten? Ein deutscher Garten ohne Kirschlorbeerhecke? Und freuen sich die Bewohner über Feder- und Volleybälle im Garten? Theoretisch könnte der Investor seine Wiesen und Strände komplett einzäunen, weil nicht einmal Wegerechte eingetragen sind. Ein Spaziergang rund um den See wäre dann unmöglich. Welche Zugeständnisse der Gemeinde verhindern die Einrichtung eines Privatstrandes? Darf die Gemeinde den Strand kaufen, wenn sie im Gegenzug das Baugebiet genehmigt? Hat der Ausblick durch das Neubaugebiet Seeblick auf der Westseite nicht schon genug gelitten? – Teils hübsche Häuser, aber panoramaschädlich. – Ab welchem Grad der optischen Abwertung natürlicher Umgebung wird ein Naherholungsgebiet für Besucher unattraktiv? Was macht die Qualität des unveränderten Otterstedter Sees aus: Der freie offene Zugang für alle Bevölkerungsgruppen: Familien, Alte, Jugendliche? Der Freizeitsport mit Volley- und Fußball ohne definierte Felder? Die Mischung der Nationalitäten auf den Wiesen? Und die Erreichbarkeit für alle, auch solche mit dünnen Portemonnaies? Garantieren bestehende Anlagen wie diese den sozialen Frieden in der Bevölkerung? Hilft Naherholung, die fahrraderreichbar ist, Putins Kriegskasse zu schmälern und dem Klimawandel Einhalt zu gebieten? Fordert nicht die Bundesbauministerin Sanierung statt Neubau für bessere Gebäude-CO2-Bilanzen? Wieso berichtet Weber, der Investor meine, die Gastwirtschaft ließe sich nur halten, wenn eine Bebauung dazu käme? Die letzten Gastwirte hatten in erster Linie Probleme mit Corona, den Blaualgen, dem dazugehörigen Badeverbot und eventuell Personal- und Konzeptmangel.



Die Qualität

Die Optik mit der Wasserfläche, dem Schilfgürtel, dem Baumpanorama und einer Liegewiese ohne Schnickschnack macht den Reiz dieses Erholungsgebietes aus. Ein Fitnessbereich ist überflüssig. Der See selbst ist eines der größten Sportgeräte, das der Flecken zu bieten hat. Und zwar angepasst an alle Leistungsgrade: Schwimmer, Bader und Rumlieger. „Die Leute sind da glücklich! – Glück ist nicht Seaside Resort, sondern eine Wiese, auf der du rumrennen kannst und nicht konsumieren musst“, meint eine Besucherin. Hier werden alle satt: Von mitgebrachten Broten, über eine Pommes oder ein Eis, die Lieferpizza, bis zum schicken Spargelessen im Haus am See ist alles möglich. Und die Gastronomie ist ohne Corona und Blaualgen bei angemessener Pacht, gutem Service, passenden Preisen und leckerem Essen ein Selbstläufer.


Der Qualitätsverlust

Wenn der Investorenplan so oder in abgewandelter ähnlicher Form durchgeht, zieht er die Naherholung vor Ort stark in Mitleidenschaft: Das Panorama auch auf der Ostseite würde teilweise zerstört. Holzhausoptik hin oder her. Wer Natur aufräumt und organisiert, tut meist nichts fürs Auge. Optische Reize erzeugt die Natur selbst viel charmanter. Die nette Atmosphäre würde verbaut. Es wäre weniger Platz für Liegewiesengäste, auch wenn die Privatwiesen und -strände öffentlich genutzt werden dürften. Ein Teil der Liegewiesen soll mit Häusern bebaut werden (die Schaukelwiese) oder mit zusätzlicher Nutzung wie Sauna, Fitness und Spielplatz. Die Parkplatzsituation würde überstrapaziert, der Wiesenparkplatz wäre nicht mehr grün und viele Bäume und Büsche an der Straße ‚Zum Pastorensee‘ entfernt. Es ist auch längst noch nicht klar, ob im Rahmen der Baumaßnahmen nicht auch Bäume in der Nähe des Biergartens, der Schaukelwiese oder am Schotterparkplatz gefällt werden müssten. Nach dem Saunabau wäre der Ausblick vom Biergarten auf die Saunaanlage zwischen den beiden ersten Stränden keine Idee mit Weit- und Seeblick.




Immer schon war der See ein attraktiver Freizeitort. So soll es auch bleiben.




Vor Ort

Im Hintergrund wurde viel geregelt, obwohl die Zeitleiste des Verwaltungsablaufes noch gar nicht angefangen hatte. Es wirkt so, als würden die Planoffenlegung und der anschließende Durchmarsch überfallmäßig kommen. Bürgermeister Tim Willy Weber war vor seinem Gesinnungswandel ehemaliger Geschäftsführer von ‚Mehr Demokratie e. V.‘ in Bremen. Hat er als ehemals überzeugter Basisdemokrat beim Biomasseheizkraftwerk (BMHKW) neben Kreuzbuchen in Ottersberg nicht 2013 federführend die Bürgerbefragung angeleiert? War er es nicht, der gemeinsam mit seinen Mitbürgern und vor laufenden Kameras von ‚buten und binnen‘ seinen Vorgänger im randvollen Ratssaal mit Erfolg stramm gestellt hat? Droht jetzt nicht die Gefahr, dass ihm das Gleiche passiert? – Zog er nicht öffentlich das Fazit, eine Weiterverfolgung der Ansiedlung des BMHKW sei nur dann richtig, wenn sie von der Mehrheit der Ottersberger Bürger getragen würde? Gibt es in Ottersberg eine Mehrheit für ein ‚Seaside Resort‘ am Otterstedter See? Wenn absehbar die Ratsmehrheiten schlecht liegen und die rechtlichen Möglichkeiten begrenzt sind, helfen die politischen: der Druck aus der Bevölkerung. Ganz ISI: Bunt, fröhlich, fundiert und umfangreich darf der Widerstand sein. Vorher rechtzeitig einschreiten, statt nachher zu jammern. Alles, was als ‚Seaside Resort‘ geplant ist, ist bisher rechtlich völlig unzulässig. Bei entsprechendem Protest wird es das auch bleiben.


Torftipp: 1) Do., 23.6.2022, 19.30 Gemeinderatssitzung, Schulaula der Wümmeschule, Am Brink 9, 28870 Ottersberg. Keine Möglichkeit der Onlineteilnahme. Formlose Anmeldung über: 0 42 05 – 31 700 oder info@flecken-ottersberg.de,2) Jeden Sonntag um 11.00 Uhr: ISI Spaß- und Sponsorentreffen mit Badehose, Schlauchboot und Picknick am DLRG-Strand am Otterstedter See. 3) Unterschriftenlisten, Online-Petitionen, ISI Social Media-Gruppen …

















Links: ISI bei Facebook: https://www.facebook.com/profile.php?id=100082498772303

Rechts: Wer dem Bürgermeister sein ‚Nein‘ zur Bebauungsplanänderung am See mitteilen will, unterzeichnet die Online-Petition. https://www.openpetition.de/petition/online/isi-idylle-satt-investor-sag-nein-zur-bebauung-rund-ums-restaurant-haus-am-see


Hier Flyer herunterladen!





Viel Politik, wenig Erfolg

Otterstedter See – die unendliche Geschichte.

Text: Götz Paschen, Fotos: Götz Paschen, www.polyplan-umwelt.de, Torsten Höner



Ende Juni kam im Rathaus der Bewilligungsbescheid für einen Zuschuss über 90 % der Maßnahmenkosten von 351.832,50 vom NLWKN Verden. Das NLWKN ist der der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz. Es geht in dem Bescheid um die „Kontrolle der Blaualgenentwicklung und die Sanierung des Sees allgemein“, so Ralf Schack, Leiter des Bauamtes im Flecken Ottersberg. Nur 10 % dieses Seeprogramms trägt die Gemeinde. Die Gesamtmaßnahme ist auf 390.915 Euro beziffert. Als Sofortmaßnahme in diesem Zusammenhang wurde Ende Februar 2020 noch einmal Bentophos zur Bindung der Nährstoffe und Vermeidung von Blaualgen in den See gegeben. Inzwischen blühen wiederholt Blaualgen vor den Stränden und im Otterstedter See. Schack: „Das Ergebnis ist nicht so, wie wir uns das erhofft hatten.“ Neben der Bentophosmaßnahme dient das übrige Geld aus der Zuwendung „für Untersuchungen und nicht für reale Maßnahmen. Es geht um Strategien – das heißt Planung und wissenschaftliche Grundlagen.“ Vor 2021 sei nicht mit Aktivitäten zu rechnen. Gegebenenfalls könne man prüfen, den Bescheid anzupassen, um mit den Mitteln konkrete Maßnahme durchzuführen. Eigentlich ist das Geld nur für theoretische Ergebnisse gedacht. „Man weiß ja nicht, was man machen soll. Das soll untersucht werden. Wir fangen ein bisschen wieder vorne an.“

Kein nachhaltiges Konzept
Es gibt einige Unterlagen, mit denen man in der Vergangenheit hätte konkret werden können. Bentophos blieb stets das Mittel der Wahl, ohne langfristigen Erfolg. Das macht verständlich, dass die Seeinitiative und die Aktiven im Umweltausschuss inzwischen das Thema satt haben, solange konkret nichts Neues passiert. Die Unterlagen sind umfangreich und kommen wiederholt zu dem Ergebnis, dass neben oder anstatt Bentophos auch andere Maßnahmen angewendet werden sollten:
2004 – 21 Seiten plus diverse Anlagen: ‚Gewässerzustandsbericht, Sanierungskonzept Otterstedter See‘ mit Analysen von Seetiefe, Wasserschichtungen, der Wasserzuflüsse aus Oberflächen- und Grundwasser, Wasserproben, Nährstoffbestimmung ... Auftraggeber: Seeinitiative Otterstedter See, Konzept: Polyplan GmbH
2012 – 17 Schaubilder PowerPoint: ‚Otterstedter See Sanierungskonzept 2012 – 2015‘ Vortrag: Stefan Bruns, Polyplan GmbH‘
2013 – 17 Seiten: ‚Analyse und Bewertung des Einsatzes von Bentophos am Otterstedter See‘. Auftraggeber: Flecken Ottersberg, Bericht: Polyplan GmbH: „Eine weitere Gabe von Bentophos mit den gleichen Berechnungsgrundlagen wie bei der letzten Zugabe hätte vermutlich einen kleinen kurzfristig positiven Effekt. Es würde jedoch keine nachhaltige Verbesserung auftreten.“
2014 – 22 Seiten: ‚Vorplanung von Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen am Otterstedter See‘. Auftraggeber: Flecken Ottersberg, Planung: Polyplan GmbH: „Falls der Einsatz von Bentophos weiter in Betracht gezogen wird, sollte ein Vergleich mit anderen Sanierungs- und Restaurierungsmethoden erfolgen.“

Phosphor
Stefan Bruns (57) aus Rotenburg ist Geschäftsführer der Polyplan Kreikenbaum Gruppe in Bremen. Diese Firma beschäftigt sich mit Bäderplanungen und Seesanierungen. Bruns erklärt bildhaft die Überdüngung eines Sees: „Phosphor ist der limitierende Mangelnährstoff.“ Und zieht eine Parallele zur Wirtschaft. „Das ist wie beim Geld. Wenn ich mehr Geld drucke, bringt es mehr Umsatz, mehr Konsum, mehr Umweltverschmutzung …“ Und „Mehr Phosphor bedeutet mehr Wachstum bei Algen, Wasserpflanzen und Bakterien. Algen haben den Vorteil, sie können im Wasser schweben. Unterwasserpflanzen können bei geringerer Sichttiefe keine Photosynthese mehr betreiben. Dann bleiben mehr Nährstoffe für Algen und Bakterien.“ Es entstehen mehr Biomasse im System und mehr Abfall. „Wo mehr gelebt wird, wird auch mehr gestorben.“ Der Abfall fällt herunter in den See, verbraucht bei der Zersetzung Sauerstoff und sedimentiert aus. Der untere Seebereich (das Hypolimnion) hat nur Sauerstoffverbraucher, aber keine Produzenten. „Abgestorbenes Material wird mikrobiell abgebaut. Die meisten Mikroben brauchen dafür Sauerstoff.“

Bentophos
Polyplan beschreibt in der Stellungnahme von 2013 das Mittel Bentophos, das vom limnologischen Institut Dr. Nowak in Ottersberg wiederholt eingesetzt wurde wie folgt: „Bentophos besteht zu 95 % aus Bentonit und zu 5 % aus Lanthan. Bentophos wird verwendet um zum einen im Wasser befindliche Phosphate während der Fällung (des Herunterfallens, Anm. pas) zu binden und zum anderen um längerfristig sedimentgebundenen Phosphor zu binden und somit Phosphor-Rücklösungen in den Wasserkörper zu verhindern. Durch den Einfluss auf den Phosphorhaushalt soll Einfluss auf die Gesamttrophie (Nährstoffsituation, Anm. pas) des Sees genommen werden. Die Bindung des Phosphors erfolgt über den Lanthananteil im Bentophos.“

Lanthan
„Die Ökobilanz bei Lanthan ist schlecht. In China wird es in Gruben abgebaut. Du musst viel Boden mit Chemikalien waschen, um das Lanthan daraus zu gewinnen. Damit du es hier nachher in den Schlamm schmeißt? Der Verbrauch an Umwelt in China ist viel höher, als das was es hier erreicht. Die Lanthan-Phosphor-Verbindung ist theoretisch stabil, aber praktisch wohl doch nicht. Und es ist im Einkaufspreis nicht billig.“ Normalerweise nutze man Lanthan für Ultraleiter, um schneller Daten zu transportieren. „Ich kann das in hochtechnischen Produkten verstehen, aber die Ökobilanz von Lanthan für den Einsatzweck im See ist furchtbar.“

Tibean
Ein Tibean ist eine Tiefenwasserbelüftungsanlage: Ein senkrechtes Rohr, das Tiefenwasser hochpumpt, an der Wasseroberfläche mit Luftsauerstoff anreichert und über ein zweites Rohr wieder in tiefere Wasserschichten zurückpumpt. „Es gibt bei der Anwendung keine Durchmischung von Wasserschichten.“ Dann kümmert sich laut Theorie die Chemie des Sees um den Phosphor. Bruns: „Sowie Sauerstoff zugeführt wird, bindet sich der Phosphor wieder an das das Eisen. Es sind genug Bindungspartner im Wasser. Ist nicht genug Eisen da, gibt man Eisen zu.“ Das Verhältnis liegt hier bei 15 Eisen zu 1 Phosphor. Der Eisenanteil im Sediment sei gering, aber im Wasser hoch. Bei Einsatz eines Tibeans dauere es ein paar Jahre, bis der weiche Schlamm am Grund abgebaut ist. Die Mikroorganismen machen aus dem Schlamm mineralisches Sediment, wenn sie genug Sauerstoff haben. Anfangs läuft die Anlage Tag und Nacht durch, angeblich geräuschlos und auch im Wasser nicht hörbar. „Nach zwei bis vier Jahren ist das Schlammdepot geringer und entsprechend auch die Laufzeit der Anlage auf ein bis zwei Stunden am Tag reduziert.“ Zu Beginn des Einsatzes könne es ein paar Tage schäumen, weil Eiweiß zerschlagen werde. – Die Firma Polycon GmbH, in der Bruns ebenfalls Geschäftsführer ist, bietet den Tibean an. In dieser Darstellung ist Bruns also nicht unbefangen oder anders gesagt: Er ist von seinem Produkt überzeugt. Für den Otterstedter See würde eine solche Anlage zirka 75.000 bis 100.000 Euro kosten ohne Mehrwertsteuer. „Je nach Ausführung und gegebenenfalls Zusatzfällungsmaßnahme.“ Plus Monitoringkosten für die Dauerbeobachtung von jährlich zirka 2.000 bis 5.000 Euro netto. Die Energiekosten pro Jahr liegen zirka bei 2.500 Euro. „Die Anlage kann aber auch gegen eine jährliche Gebühr von zirka 15.000 Euro netto geliehen werden, hierin ist dann die Vollwartung eingeschlossen. Mindestlaufzeit sind zehn Jahre.“ Wieder plus Energiekosten. Und wie lange läuft das Gerät? „Der Tibean ist da dann dauernd im See. Es sei denn, es ändern sich irgendwelche Bedingungen. Er ist nur dann irgendwann ganz entbehrlich, wenn man die Nährstoffeinträge reduziert.“ Was immer oberste Priorität im Zielhorizont haben sollte.

Umwidmung der Mittel
Man hätte also die Bentophosgabe von Februar, den Tibean inklusive Monitoring und Energiekosten für zehn Jahre im Sack und nach meiner groben Überschlagsrechnung von den 390.000 immer noch die Hälfte übrig für die Sanierung der Sanitäreinrichtungen am dritten Strand, einen Gutachter und weitere Maßnahmen. Der Gutachter könnte auf der vorhandenen Datengrundlage aufbauen. Das erfordert eine entsprechende Umwidmung von Teilen der Förderung. Widerspricht das deutscher Verwaltungslogik? Vermutlich hilft vorab auch ein Erfahrungsaustausch mit den Verantwortlichen am Sodenmattsee Bremen und dem Krupunder See Hamburg, die jeweils einen Tibean in Betrieb haben. Geht die Planungsvorgabe für ein unabhängiges Büro in diese Richtung?

Sauerstoff
Im Sommer wird das Hypolimnion (der See unten) schneller sauerstoffarm durch den Konsum der Biomasse durch Mikroben. „Unter Anaerobie (Fehlen von Sauerstoff, Anm. pas) lösen sich im Sediment chemische Verbindungen auf. Dadurch wird das Tiefenwasser auch vom Sediment her mit Nährstoffen angereichert. Das nennt man ‚seeinterne Düngung‘.“ Heißt: Unter Ausschluss von Sauerstoff lösen sich aus dem mineralischen Material in den Ablagerungen des Sees am Grund ebenfalls Phosphormengen. Die reichern nun auch noch von unten her das Wasser mit Nährstoffen an. Unten kann keiner etwas mit den Nährstoffen anfangen, weil das Licht zur Photosynthese fehlt. „Im nächsten Herbst wird das Wasser gemixt durch Wind und weniger Sonne. Die Wärmeschichtung (kalt unten, warm oben, Anm. pas) wird aufgelöst und der Stofftransport vertikal ist ungestört.“ Zu Deutsch: Wird es kalt, hört die klassische Wärmeschichtung im See auf, das Wasser durchmischt sich, der Phosphor verteilt sich auch im oberen Teil des Sees und steht im Folgejahr der Blaualgenblüte zur Verfügung.

Bakterien
„Der See ist in seiner Beckenform hochstabil. Das Verhältnis Tiefe zu Oberfläche ist sehr günstig. Der könnte oligotroph (nährstoffarm, Anm. pas) bis mesotroph sein mit Sichttiefen von drei bis acht Metern, wenn er nicht so stark anthropogen (durch Menschen, Anm. pas) beeinflusst wäre.“ In oligotrophen Gewässern mit einem Phosphatgehalt von 4 bis 10 Milligramm je Kubikmeter ist die Bakterienzahl je Milliliter unter 100. In eutrophen (nährstoffreichen) Gewässern mit einem Phosphatgehalt von 35 bis 100 Milligramm je Kubikmeter leben bis zu 100.000 Bakterien je Milliliter. Welche weiteren Maßnahmen reduzieren die Nährstoffmenge im See?

Fische
Bruns empfiehlt Einschränkungen für Angler: „Nicht anfüttern und einen hohen Raubfischbesatz erhalten.“ Die Karpfen raus, die durchwühlen das Sediment. „Der Karpfen ist die Sau im Teich und schmeckt meist wie eine Tüte Schlamm.“ Er hält den See von der Beckenform her für ein typisches Zandergewässer. „Durch Raubfischbesatz werden die Jungfischbestände reduziert. Dadurch wird der Frassdruck auf das Zooplankton verringert. Dann kann das Zooplankton mehr Algen verspeisen.“ Die Folge wären mehr Klarwasserstadien. „Dann können die Unterwasserpflanzen besser durchstarten.“

Biomasse
Bruns hält auch eine Räumung von 50 % der Seerosen und 10 % des Schilfs für erwägenswert, durch mähen, beziehungsweise wegbaggern. „Seerosen kannst du mit dem Mähboot im Herbst ernten und die Biomasse entnehmen.“ Schilf mäht man zur Nährstoffentnahme, solange es noch grün ist, dann sind die Nährstoffe noch oben in der Pflanze und nicht in den Wurzeln. „Wenn man es grün mäht, kriegt man allerdings Probleme mit dem Naturschutz, weil im Juli und August noch Vögel darin brüten.“ Ein Vorgehen beschränkt auf Teilflächen ist hier angemessen. „Das Hauptthema ist die Eintragsreduzierung von Nährstoffen in das Hypolimnion, um es mit Sauerstoff anzureichern.“ Also die Verringerung des Phosphoreintrages von außen.

Wasserpflanzen
„Man sollte auch submerse Makrophytenzonen schaffen.“ Gemeint sind Unterwasserpflanzen, die über das Wasser Nährstoffe aufnehmen und nicht über die Wurzel aus dem Sediment. „Die Unterwasserpflanzenkartierung ist mau. Sie haben auch zu wenig Licht, aber die kämen wieder. Deren Sporen halten Hunderte von Jahren bei den Bedingungen.“

Effektive Mikroorganismen
Effektive Mikroorganismen, auch als ‚EM‘ bekannt, sollen Nährstoffe aufnehmen. Bruns ist skeptisch. „EM ist ein super Marketing. Es gibt keine nicht effektiven Bakterien.“ Er selber arbeitet auch öfter mit Bakterien-kulturen im limnologischen Zusammenhang. Das muss man sich wie einen biologischen Kompoststarter vorstellen, der die Lebewesen zur Erstbevölkerung liefert, die die Umsetzung starten. „Die Bakterienkulturen kannst du dir als Cocktail mixen. EM-Bakterien im anaeroben (ohne Sauerstoff, Anm. pas) Wasser sterben, wie andere auch. Wenn das Milieu da ist kommt alles von alleine. Die Information ist schon da in einem so alten System.“ Wenn im Februar 2020 Bentophos eingesetzt wurde, ab wann funktionieren die EM dann wieder? „Das kann man nicht sagen, weil man zu wenig über das Lanthan weiß.“

Sanitäranlagen
Die Toiletten sehen nicht nur mäßig aus. Sie sind auch zu früh abgeschlossen. Trotzdem hält Bruns nichts von 24 Stunden, 365 Tage geöffnet wegen des Vandalismus. „Wir sind ja oft mit Betreibern vor Ort. Nachts offen, das haut nicht hin.“ Seine Alternative wäre das Konzept der ‚Netten Toiletten‘ wie in Bremen, Verden … Der Gastronomiebetrieb stellt der Bevölkerung seine Toiletten gratis zur Verfügung und erhält dafür eine solide Entschädigung durch die Gemeinde. „Das ist eine Superidee, und es guckt einer danach.“ Bruns empfiehlt es für die Zeit, wenn die Seetoiletten abgeschlossen sind. Sollte man die Toiletten anhübschen oder voll sanieren? „Es muss einfach angenehm sein, auf die Toilette zu gehen. Gepflegt ist schöner und umso weniger wird ins Wasser gepinkelt. Es wird trotzdem viel ins Wasser gepinkelt.“ Vorher zu duschen sei angesagt. Körperdreck ist auch Nährstoff.

Zufluss
Phosphor wird auf verschiedenen Wegen auch von oben in den See eingeschwemmt. Die Fäkalieneinleitung der Seeanwohner ist glücklicherweise Geschichte. Andere Zuläufe sollte man mechanisch bremsen. „Versickerungsmulden verringern die Zulaufgeschwindigkeit.“ Weniger Erosion heißt, dass Partikel aus dem See zurückgehalten werden. Den gleichen Zweck verfolgt die empfohlene ‚Aco-Dränrinne‘: Erosion auffangen, die sonst Stoffe in den See mitnimmt. Mindestens in der ersten Reihe um den See herum gehe es darum, in den Gärten keinen Dünger zu verwenden. In der zweiten Reihe sind es die Gräben, die eingeleitet werden und Nährstoffe von den Häusern mitbringen. „Die Einträge müssen auf ein mögliches Minimum reduziert werden. Es gibt einen hohen Nutzungsdruck auch durch die Anwohner. In Österreich heißt so ein See ‚verhüttelter See‘. Da sind die Anreiner verantwortlich. Die ‚Verhüttler‘ müssen einen Strand für die Öffentlichkeit freihalten und pflegen und auch das Gewässer sanieren. Die Verhüttler sind da unsere Kunden. Ich finde es immer gut, wenn die Verursacher auch die sind, die sich kümmern müssen.“ Und die Landwirtschaft? Die Hauptlast beim Phosphor komme durch die Gräben. „Die Landwirtschaft ist da nicht das Hauptproblem, das haben wir nicht hoch bewertet.“

Umweltausschuss
Angela Hennings (55) aus Fischerhude sitzt für die Grünen seit 2009 im Umweltausschuss im Gemeinderat des Fleckens Ottersberg. Sie ist Diplom-Ingenieurin für Umwelttechnik. Hennings hat in der Sitzung des Umweltausschusses mit der Mehrheit der Mitglieder am 18. Februar gegen die wiederholte Verabreichung von Bentophos gestimmt. Gleichzeitig tagte der Ortsrat Otterstedt und stimmte dafür. Danach hat der Verwaltungsausschuss in geheimer Sitzung für das Bentophos und gegen den Umweltausschuss gestimmt. Warum? „Der Gedanke war, ungefähr für fünf Jahre eine ruhige Saison und damit Zeit für ein Konzept zu haben. – Wenn wir Bentophos anwenden, hatte ich die Sorge, dass wir keinen Handlungszwang mehr haben.“ Diese Sorge war unberechtigt. Es hat nicht funktioniert. Die Blaualgen sind da. Das Thema See ist aktuell. Im Rahmen der gesamten Gemengelage ist ein Nachteil, dass Denise Bodendorf zum Jahresende die Verwaltung verlassen hat. Sie war die stellvertretende Leiterin im Bauamt, die federführend dieses Thema bearbeitete. „Die Stelle ist vakant. Da sitzt niemand.“ Der umfangreiche Förderantrag auf Bezuschussung für die Seesanierung von September 2019 stamme maßgeblich aus ihrer Feder. Frau Bodendorf hatte einen Aktionsplan vorgelegt, der schon 2019 startete. „Wir sind jetzt bereits in Mitte 2020!“ Hennings hätte als mögliche Maßnahmen jetzt gerne den Einsatz von EM und die Tiefenwasserbelüftung überprüft: „Ein Versuch wären die EMs gewesen. Sie sollen an das freie Phosphor ran. Es soll wirklich ein Abbau stattfinden. – Der Tibean bedeutet einen hohen Stromverbrauch, wenn wir ihn dauerhaft betreiben und den See damit an den Tropf hängen. Du belebst den See die ganze Zeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er irgendwann nur 20 % der Zeit läuft. Das würde nur gehen, wenn ein Sedimentabbau im nennenswerten Umfang stattfindet.“ Andererseits steht Hennings wiederholtem Einsatz von Fällmitteln kritisch gegenüber. „Für meinen Geschmack gehören Lanthan, Eisensulfalt und Aluminium in so einen See nicht rein.“ Ein Mittel rein und fertig, ist ihr zu schlank gedacht. „Du gibst etwas rein und hast es erledigt. Das ist Symptombekämpfung. So einfach ist das nicht. Und das sehen wir jetzt ja auch. – Wenn wir den See sanieren wollen, müssen wir ein Interesse haben, die Schlammschicht abzubauen, aber nicht im Sinne von rausbaggern. Das ist bei einem Biotop nicht möglich.“ Hennings hat jahrelang auch als Umweltausschussvorsitzende an dem Thema gearbeitet. „Viele Maßnahmen, die im Umweltausschuss beschlossen wurden, sind verwaltungsseitig nicht umgesetzt worden. Ich habe die Hoffnung, dass mit dem neuen Bürgermeister die Entscheidungen des Umweltausschusses mit einem größeren Nachdruck von der Verwaltung vorangetrieben werden.“

Anfangen
Bruns fragt sich, ob jetzt wieder ein Ingenieurbüro gucken muss, bevor man erste logische Maßnahmen ergreift. „Anfangen wäre jetzt angesagt, nach meinem Kenntnisstand haben die Ottersberger alles. Und wenn sie sogar noch einen Plan (von Frau Bodendorf, Anm. pas) haben, haben sie mehr als ich dachte.“ Er empfiehlt: „Immer Schritt für Schritt, um Aktion und Reaktion zu überprüfen.“ Das Ergebnis der einzelnen Maßnahme ist durch die herbstliche Durchmischung der Wasserschichten erst im nächsten Jahr sichtbar. „Es gibt Gemeinden, die haben Seen, die sind viel schwieriger zu sanieren. Diesen See saniert man gerne, weil die Erfolgsaussicht groß ist aufgrund seiner Tiefe und Lage ohne direkte Siedlung und bei verhältnismäßig wenigen Badegästen. – Die Sanierung ist ja ein Klacks, wenig Wasseraustausch – der See ist hydraulisch nicht stark belastet: Es fließt kein Fluss durch, der viele Nährstoffe mitbringt ... Das ist für eine Sanierung alles gut.“

Workshop
Es geht nicht vorangeht, wenn zwar alle in einem Boot sitzen, aber in verschiedene Richtungen rudern. „Vielleicht muss man da auch noch einmal einen Workshop machen mit allen Interessenten, den Anwohnern, der Verwaltung und der Politik.“ So etwas hat er kürzlich andernorts angeregt mit der Ansage ‚Wir fangen erst an, wenn wir uns alle einig sind.‘ „Nach dem Workshop weiß jeder, was er will und alle haben Bock. Das ist ein Erfolg. Dann habe ich als Planer Lust zu arbeiten. Dann macht das auch Spaß. Das ist die Basis für den Erfolg, dass alle das Konzept von Anfang an geil finden. Und sich in den Ergebnissen sehen und die mittragen. Auch die ‚Hüttler‘. Wir wollten die Maßnahme auf eine breite Basis stellen. Die Anwohner sind dann Planer, und das ist für den Prozess total wichtig.“ Oyten hat mit seiner Zukunftswerkstatt zum Oyter See gezeigt, dass es geht.

Torftipp: 1) Neues ausprobieren, wenn das Alte nicht mehr funktioniert. 2) Demokratische Mitsprache für die Bürger, so lästig das auch ist.


Beitrag aus Torfkurier 8/2020 zum Download.


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