Wir gehen flöten!

Wer geimpft ist, darf ins Theater.

Text: Götz Paschen

Wie steht es um die Generationengerechtigkeit? Vorrang bei der Impfung hatten bisher in erster Linie die Alten. Die durften ihr Leben schon genießen. Durchgeimpft sind aktuell 19 % (Juni). Da fehlen noch ein paar Leute, vor allem junge Menschen. Das sind die Studenten im Onlinestudium ohne Campusleben. Das sind Jugendliche mit dauerhaft geschlossenen Partyorten. Und wir folgen jetzt dem israelischen Vorbild? Die einen dürfen mit grünem Pass wieder ins Theater, in Konzerte … mit Schutzmaske und 75 %-Belegung, aber immerhin. Die Ungeimpften sitzen weiterhin zu Hause und vergnügen sich digital. Aber während Netanjahu in Israel das Thema zum Machterhalt und zur Ablenkung seiner innenpolitischen Schieflage braucht, könnten wir es hier vernünftiger angehen.

Grüner Ausweis
Hinter dem europäischen Ausweis steckt ein QR-Code, der verrät, dass eine abgeschlossene Impfung vorliegt, ein gültiges negatives Testergebnis, beziehungsweise eine Genesungsbescheinigung. Ziellinie für die Planung ist der Start der Sommerferiensaison. So wünscht es die Reisebranche. Ob es dann einen Extra-Ausweis oder eine neue Funktion in der Corona-WarnApp geben wird, ist noch unklar. Ein Ausweis könnte helfen. Aber seit Monaten werden der jungen Generation Impfungen vorenthalten. Das wurde jetzt – vergleichsweise spät – aufgehoben. Die jungen Leute dürfen nicht nur die gesamte Umweltkatastrophe ausbaden, die wir ihnen eingebrockt haben. Jetzt halten wir sie auch von dem Vergnügen fern, weil erst einmal die Alten geimpft wurden und wieder los dürfen. Die Großeltern sind auf der ‚Piste‘, und die Enkel sitzen zu Hause? Verkehrte Welt.

Gerechtigkeit
Wenn es Verordnungen und Maßnahmen an Logik oder Gerechtigkeit mangelt, werden sie nicht eingehalten. Regierungskunst bedeutet, Konzepte so einzuführen, dass sie Akzeptanz finden. Manchmal hat man den Eindruck, dass Politiker das pragmatische Einmaleins nicht drauf haben. Die Mehrwertsteuersenkung letztes Jahr war nicht mehr als eine nette Idee. Sie hat für die Kostenentlastung der Bevölkerung wenig gebracht. Da sind Einmalzahlungen wie beim Kindergeld viel sinnvoller. Das kommt direkt an und geht vermutlich auch flächendeckend wieder komplett in das Bruttosozialprodukt. Einfacher geht es nicht: Zielgruppe definieren. Geld rüber und fertig. Für das Ausgeben sorgen die Familien schon selbst. Das ist Generationengerechtigkeit: Die, die im Arbeitsprozess stehen und durch Kurzarbeit betroffen sind, kriegen das Geld, was ihnen fehlt. Ja, die im öffentlichen Dienst auch, und die hatten oft keine Einbußen. Ist eben so. Ich sage nur, Augen auf bei der Berufswahl.

Kreativität
Wie sieht das im Sommer dann aus? Oma und Opa sitzen mit Maske im Konzert und genießen dank grünem Ausweis ihre wiedergewonnene Normalität. Und die Enkel treffen sich illegal zu Partys auf irgendwelchen Wiesen ohne Abstand, Vorgaben und Schutz? Ihr hormoneller Druck wird sie schon Lösungen finden lassen. – Und dann erhalten die Ordnungskräfte von oben den Hinweis wegzugucken? Oder sie ziehen durch und kassieren die illegalen Partymacher radikal ein? Gesetze zu erlassen und nicht anzuwenden ist zwar Blödsinn, aber nicht unüblich. Für fast alle Problemlagen, die mir einfallen, gibt es ein umfangreiches gesetzliches Instrumentarium. Die Dauerfrage in allen politischen Feldern ist: Wenden wir es konsequent an oder nicht? Und das ist eine Frage des politischen Willens. Vielleicht erübrigt sich die Frage der Generationsgerechtigkeit auch, weil wir im Sommer durch genug Impfstoff und -termine auch die jungen Leute komplett geschützt haben. Dann würde die Frage nicht Generationsgerechtigkeit lauten, sondern Dauernachteile für Impfgegner.

Torftipp: Am 26. September wählen gehen.