Schürzenjäger

Über die Liebe anderer zu meinem Auto.

Text: Götz Paschen

Was fürn Glück, dass andere auf mein Auto aufpassen. Dass sie mich hinterm Lenkrad wegzerren, wenn ich es mal wieder teildemoliere. Dabei zerstöre ich meist nur die Unterkante der vorderen Schürze. Ich schleife unten immer nur – meist an zu hoch eingebauten Bordsteinen – etwas Plastik ab. Das könnte man dann als Mikroplastik ins Essen rühren oder ins Shampoo.

Verhältnisse
Ich versuche regelmäßig, Menschen, Tiere und Dinge in vernünftiger Relation zu mir zu sehen: Ein Auto ist ein Gegenstand, der im Laufe seiner Nutzung verbraucht wird. Es ist kein Heiligtum, sondern ein praktischer, stinkender, fahrbarer Untersatz. – Ein Hund ist für mich auch kein Familienmitglied, sondern ein emotions- und intelligenzbegabtes Säugetier, wie ein Mastschwein auch. Ich esse weder Hunde noch Schweine. Für andere ist ein Hund der beste Kumpel. So verschieden sind wir Menschen. – Mir stehen alle Menschen in Afrika, Südamerika und sonst wo auf der Welt näher, als alle Hunde, Mastschweine und Autos in meiner direkten Umgebung.

Andere
Das sehen andere anders: Wir fahren abends ins Kino. Ich bin kein besonders guter Stadtparker. Ich laufe lieber länger, als dass ich mich elegant in eine Parklücke einfädele. Also: Ich habe zwei gesunde Beine und kann nicht gut einparken. – Wir waren späte dran, und ich baue unser Auto wieder in so eine Randparklücke ein. Da, wo hinten oder vorne keiner mehr kann, weil eine Einfahrt, Ampel, Kurve oder sonst was kommt. Und dabei schleife ich einen Bremer Bordstein auf der Strecke von einem Meter mit unserer Schürze sauber. Die beiden an der Ampel wären beinahe auf unsere Kühlerhaube gesprungen. Autoretter erster Güte! ‚Was macht der Irre mit der Karre? Und was macht der mit unseren steuerfinanzierten Bremer Bordsteinen?‘ – Sind die nicht Verschleißmaterial? Bei der Benutzung von Straßen gibt’s Abrieb und bei Borsteinen? Ich fahre ja nicht mal so ein tiefergelegtes Jungsauto. Aber es passt vorne meist nicht sauber über die Bordsteine drüber, meistens nur drauf. Der Typ sah so aus, als wollte er mich aus dem Auto holen, mir eine Standpauke halten und zwei Fahrstunden erteilen.

Prioritäten
Ich finde da andere Punkte wichtiger: Ich fahre immer mit null Alkohol, überhole nie rechts, stresse auf der Autobahn keinen, gucke bei Einfahrten nach Fuß­gängern oder Radfahrern und fahre nicht mit Schmackes aus der Einfahrt, halte meist alle Geschwindigkeitsbegrenzungen ein, heize nicht über Zebrastreifen, an denen Personen stehen … Was ist zu vermeiden: Material- oder Personenschaden? Beides. Schon klar. Aber was hat Priorität? Noch nie habe ich einen Dritten gesehen, der einem Autofahrer einen Vogel zeigt, weil er frech innerorts einen Zebrastreifen überfährt, an dem jemand steht. Aber schürfen Sie mal mit der Schürze einen Bordstein! Wir reden von dem Stück Plastik vorne dran. Das kann man ersetzen. Das hat eine Ersatzteilnummer und geringen Wert. Wir reden nicht von Schürfwunden, Prellungen, Brüchen und schlimmeren Dingen, die einem im Straßenverkehr widerfahren können.

Retter
Die Retter lauern überall. Diesmal im Dorf: Ich finde nur die halbe Bordsteinabsenkung und touchiere mit der Schürze einen Teil der Schrägen. Und eine Passantin guckt mich ganz entgeistert an mit folgenden Worten im Kopf: ‚Schon wieder so ein Hirsch, der es nicht kann.‘ Und ich ergänze: „…, der beim rückwärtigen Ausparken im Dunkeln mehr auf den Verkehr, die Radfahrer und Passanten achtet, als auf das Material.“ Ja, ich bin bekennender Schürzenjäger. Und ganz ehrlich: Ich erzeuge gelegentlich Abrieb. Aber ich fahre auch so unsportlich, dass ich sonst am Auto fast nichts schaffe. Voll der Langweiler: Keine Beulen, kein Wildschaden, kein Totalschaden. Toi, toi, toi!

Torftipp: Schürzen jagen. Menschen schonen.