Negative Fortbewegung

Subtrahieren Sie Ihre Kilometer.

Von Götz Paschen

Was gibt es großartigeres als neue Gedanken. Alte sind öde. Selbst der Transfer eines Bekannten auf einen neuen Bereich ist selten geistreich. Pragmatisch aber oft zielführend. Genial sind neue Gedanken. Die, die es noch nicht gab. Oft reicht es, wenn es sie für Sie noch nicht gab. Bei absoluter Neuigkeit kommt gleich irgendein Korinthenkacker und liefert umgehend den Nachweis, wo es diesen vermeintlich neuen Gedanken schon einmal gegeben hat. Genießen Sie neue Gedanken, auch wenn sie es nur für Sie sind. – Ein Beispiel: Letztens begegnete mir ‚negative Fortbewegung‘. Und das kam so:

Auto
Was gibt es Banaleres als Verwaltung und hier speziell die Fahrtenbuchabrechnung beim Auto. Eine völlig spaßbefreite Aktion. Es sei denn, einer trägt Blödsinn ein. Da fängt die Fahrt dann beim höheren Kilometerstand an und endet beim niedrigeren. Das heißt, ihr Mitarbeiter hat negative Kilometer zurückgelegt. Rückwärts fahren ist Fortbewegung mit dem Heck vorne. Das ergibt trotzdem addierte Kilometer. Aber wie großartig ist die Fahrtrichtung, bei der gefahrene Kilometer wieder verschwinden. In welcher Dimension bewegt sich ein Mensch, der gefahrene Strecke vernichtet? Wie funktioniert eine Tankanzeige, die einen warnt, wann bei weiterer negativer Fahrt, der Tank überschwappt? Wo kommen Sie an, wenn Sie nach negativer Fortbewegung aus dem Auto steigen?

Öde
Langweiler behaupten, das muss eine Fahrt in die Vergangenheit sein. In eine Zeit, in der Sie gefahrene Kilometer noch vor sich haben. Dass Ihnen bei dieser Reise die Falten aus dem Gesicht fliehen. Die Haare Farbe gewinnen oder gar nachwachsen, Glatzen schwinden … Und dass Sie zeitgleich Erfahrung verlieren. Das wäre doch die Folie für eine schlaffe Geschichte, von der wir schon viele kennen.

Forschung
Beschäftigen wir uns mit dem Aspekt negativer Fortbewegung, der uns ins Ungewisse führt. Die materielle Seite ist sinkender Verbrauch, sind verbesserte CO2-Werte, saubere Luft … Materialschonung auf breiter Linie. Ökologisch wünschenswert, aber damit auch schon fix abgegessen. Spannender ist die Frage des Ortes. Wie sieht der immaterielle Raum aus, in dem Sie sich dann befinden? Nach der Tour, deren Hauptcharaktermerkmal nicht einmal ist, dass sie nicht stattgefunden hat. Sondern deren Großartigkeit darin besteht, in dynamischer Art Nichtbewegung zu sein. Nicht Statik, also Null. Sondern Dynamik, also in der Minuszone und Bewegung negierend.

Grübeln
Bohrt sich einem dann die Frage in den Kopf: Wie das visualisieren? - Rückwärts fahren? Verworfen. In die Vergangenheit? Ebenfalls. In einen Raum, in dem Zeitstrahlen und –spiralen keine Gültigkeit haben? In dem Materie nicht im steten Wandel ist, sondern sich auch löscht? – Sie erproben Bilder: Sie blasen einen Ballon nicht auf, sondern saugen ihn ein. Aber er füllt Ihren Mund, Rachen und Hals. Das ist kein negatives Volumen, sondern nach innen gekehrtes. Es ist das dynamische Nichts, das uns irritiert oder erschreckt, vor allem aber unbekannt ist. Eines, das nimmt und schluckt, ohne auszuscheiden. Ein Prinzip, dass so auf der Erde keine Verwandten hat. Diesem Stoff-Prozess-Energie-Gleichgewichtsplaneten.

Erfahrungsfelder
Sie denken sich in einen Raum, der enger wird, ohne Platz abzugeben. In Zeit, die danach nicht hinter Ihnen liegt, sondern einfach weg ist. Die auch vor Ihnen schon weg sein kann. Dass Sie in ein Zeitnichts fallen, weil eine Phase lang keine Zeit da ist. Sie sich selbst nicht wahrnehmen können, weil es für Sie keinen Ort gibt. Dass Sie bangen, weil Sie Sorge haben sich an einem Unort, in einer Nichtzeit nicht zurecht zu finden. Und das bei gleichzeitig negativer Fortbewegung! Sie greifen Materie, wenn Sie Glück haben, bevor sie sich löscht und in nichts auflöst. Sie verlieren sich. Was bleibt, ist ein Bewusstsein in einer unbekannten oder grenzenlosen Sphäre. Ist negative Fortbewegung dem Leben nach dem Tod verwandt?

Torftipp: Querdenken.