Metronom mit Ferienfahrplan …

Oder: Wer ist hier reif für die Insel?

Text: Götz Paschen

Freitag, 23. Juli morgens 4.15 Uhr: Der fröhliche Redakteur hat endlich seinen letzten Artikel fertig. Bettruhe. 5.30 Uhr Aufstehen. 7.16 Uhr Abfahrt Bahnhof Ottersberg Richtung Nordsee! – Das sind ja immerhin noch 1 ¼ Stunden Schlaf. Normal geben wir Donnerstagabend spätestens 20.00 bis 22.00 Uhr ab. Aber es gibt Ausnahmen. Morgens acht Uhr reicht beim Drucker auch. – Alles schick: Der Wecker klingelt. Kinder einpacken und mit Rädern und Anhänger umweltfreundlich zum Bahnhof, zum Zug, zum Anleger, aufs Schiff, auf die Insel. Ausatmen, Pause tanken. Aber erstmal frisch in die Pedale. Warum sind die Kinder heute so schwer? Frühstücken die zu viel?

Bahnhof Ottersberg
Gleis 2 Richtung Hamburg. Überpünktlich mit Mann und Maus, vier Packtaschen, drei Rucksäcken, zwei Rädern, Kinderanhänger. Warten. – Die Lautsprecheransage: ‚Der Metronom Richtung Bremen fällt aufgrund von Personalmangel aus.‘ Und die müden Pendler auf Gleis 1 regen sich alle nicht mal auf. Eine Stunde warten. Einige Telefonate. Da wird was geregelt. Dann die nächste Ansage ‚Der Metronom Richtung Hamburg fällt aufgrund von Personalmangel aus.‘ Und dafür reiße ich mir ein Bein aus?! Locker bleiben. Der Urlaub beginnt ja schon am Bahnhof. Der Umweltfreund wartet gelegentlich auf den Zug. Der Autofreund wartet mindestens genauso oft im Stau. Nur, dass Staus gottgegeben sind und Zugverspätung bahnverschuldet. – Der Unimann, der nach Hamburg wollte, um seine 100 Studenten eine Klausur schreiben zu lassen, verlässt den Bahnsteig. Der muss jetzt wohl auch noch telefonieren. – Sie holt beim Bäcker Brötchen für alle. Die Familie mampft gemütlich vor sich hin. Wo der Urlaub anfängt, ist eine Frage der persönlichen Entscheidung.

Ferienfahrplan
Aber im Schaukasten hängt kein Metronom-Urlaubsfahrplan. Da hängt der normale Fahrplan. Und ich will ja keinem Personaler erklären wie Springersysteme und Nachwuchsakquise funktionieren. Ich denke trotzdem darüber nach. Der Unternehmer kriegt auch im Pausenmodus das Optimierungsmodul nicht sofort ausgeschaltet. 8.16 Uhr fährt der nächste Metronom ein. Reden wir nicht über verbesserte Frequenzen und Anbindung. Das überlassen wir Politikern, die den Wahlkampf gewinnen wollen. Wir wollen ja nur Land gewinnen. Wir stehen auf Höhe des Fahrradwagons an der vorderen Tür. ‚Ne, hier ist es zu voll mit Rädern. Hinten ist noch Platz.‘, sagt eine Aussteigende. Wir flitzen also zum hinteren Eingang vom Fahrradabteil und drücken vergeblich auf den Knopf. Die Tür geht nicht auf. Kein Fahrgastbegleiter steht auf dem Bahnhof, dem man winken könnte. Der Lokführer steckt seinen Kopf aus der Lok, gefühlt zehn Meter entfernt. Er sieht, wie wir an der Tür stehen und vergeblich drücken: Räder, Hänger, Familie. Meine Frau winkt zu ihm rüber. Er nimmt seinen Kopf rein und fährt los. Nee, ne – der fährt jetzt wirklich los! Entschleunigung.

Frau E.
Ich marschiere zum Schaltwerkmann – macht der auch die Ansagen? – klingele am Turm, spaziere hoch und mache eine Ansage. Er habe da nichts mit zu tun. ‚Ausfälle, Personalmangel, gemietete Warteräume in Sottrum und Sagehorn, die im Winter geschlossen bleiben …‘ sind ihm bekannt. Tut ihm leid. Ich soll beim Metronom anrufen. Ich rufe beim Metronom-Kundencenter an. Kundenzentrum kann es nicht heißen. Dann stünde ja der Kunde im Zentrum. Hier steht nur Frau E. auf der anderen Seite ratlos vor einem schlecht gelaunten Kunden. ‚Ja, sie kann nachfragen, ob die Zugbegleiter um 8.16 Uhr nicht ausgestiegen sind. Müssen die auch sicherheitstechnisch nicht.‘ ‚Nein, es gehe mich gar nichts an, wie sie morgens zur Arbeit komme. Das sei ihre private Sache.‘ Ich biete eine Reportage an. ‚Ja, ob ich darüber einen Bericht schreibe oder nicht, aber sie lasse sich nicht erpressen.‘ – Habe ich gar nicht. Ich habe ja nicht gesagt: ‚Taxi bis zum Hafen, oder ich schreibe einen Artikel.‘ Und dann recherchiert sie und später kommt ihr Rückruf: ‚Ja, der erste sei ausgefallen. Der auf der anderen Seite auch. Aber die Zugbegleiter beim Zweiten seien ausgestiegen.‘ Sind sie nicht. Ich habe ja nun wenig geschlafen, aber meine Frau hat auch keine gesehen. Ich frage mich, ob Frau E. nicht mindestens drei Schulungen fehlen, nämlich Reklamation 1, 2 und 3. Zwecklos, hier hilft kein Gespräch. Das ist Kundenabwehr. – Ich bleibe aus Umweltgründen der Bahn und von mir aus auch dem Metronom treu. Lasse trotzdem das Auto mit Fahrradheckträger in Otterstedt stehen. Und wir kriegen glücklicherweise in Hamburg einen IC, in dessen Fahrradabteil drei Plätze frei sind. Unsere reservierten Plätze sind ja schon vor zwei Stunden vorgefahren. – Und was wollte ich Ihnen damit sagen: Fahren Sie Bahn! Man kann lesen, schlafen und mit den Kindern Blödsinn machen. Stau ist auch nicht besser als Verspätung am Bahnhof.

Torftipp: 1) Fahrgastbegleitern das Aussteigen empfehlen und das Lügen verbieten. 2) Dem Lokführer eine Brille kaufen. 3) Frau E. zur Schulung anmelden.