Mai
Co-Info
Wochenaufzeichnungen bis Ostern.
Text: Götz Paschen
Bis Kalenderwoche 10: Davor
Zitate: Noch keine.
Irgendwo
in China sperren sie aufgrund eines Virus die Leute ein. Die Situation
klingt dramatisch. Die Beschreibung von Einzelschicksalen, die so an den
Rand geraten, ebenfalls. China ist weit weg. Eine Überreaktion eines
totalitären Staates? Wird man mit einfachen Erklärungsmustern einer
komplexen Welt gerecht? Wie immer nicht. Später stellt sich heraus, dass
die offiziellen Fallzahlen aus China geschönt und gelogen waren. – Es
greift über. Italien ist im Fokus. Ich kann es nicht einschätzen. Dort
klingt es ebenfalls dramatisch. Sobald Gefahren auch die reiche
Nordhalbkugel bedrohen, reagieren wir alarmiert. Kommt es auf unserem
Kontinent, gehen wir in Alarmbereitschaft.
Kalenderwoche 11:
Bundesligaaus
Zitate: „Ich gehe heute Abend mit dem Verein in die Kneipe., die Volkswirtschaft retten!“
„40 Dosen Corned Beef im Einkaufswagen. Bevor ich mich von dem Zeug ernähre, sterbe ich lieber in Würde.“
„25.000 Grippetote oder 3 Coronatote.“
„Mir
scheint, die Leute sind erst beruhigt, wenn sie das Virus dann endlich
haben. Haben sie auch solche Angst vor dem eigenen Tod? Der kommt ja
irgendwann auch noch auf einen zu. Mit 100%iger Sicherheit. Da hilft
dann auch kein Vorrat an Klopapier, hinter dem man sich verstecken
könnte.“
Weitere Fußballspiele werden abgesagt. Das ist für mich
als bekennenden Desinteressierten zweitrangig. Ein Veranstalter sagt
seine kompletten Veranstaltungen ab und spricht von Existenzsorgen. Ein
weiterer macht sich ebenfalls um seine Großveranstaltung und fehlende
Umsätze Gedanken. Wer steht hier auf dem Schlauch? Keine jammernden
Anfänger, sondern ausgeschlafene Profis. Die Alternativen klingen nicht
annähernd so erfolgversprechend. Die Existenzbedrohung berührt mich in
erster Linie in Form von Unternehmensbedrohung. Ich fange an, die Folgen
des Virus ernst zu nehmen. Das Virus selbst noch nicht. Die
Firmenkunden und Festsäle unserer Hochzeitsseiten sind bereits in der
Werbedefensive. Sie beklagen Auftragsstornos, sobald sie das Telefon
abnehmen: Es hagelt Absagen. Die erste Branche, die durch Co einen
Volltreffer kriegt, ist die Veranstaltungs- und Freizeitbranche. Ich
führe Gespräche, bei denen klar wird: Wer keine gesunde Kapitaldecke
hat, gerät jetzt unverschuldet in Liquiditätsnot. Unsere Orchesterproben
und ein Konzert werden abgesagt. Ich wundere mich und hätte beides noch
durchgezogen. Es handelt sich schließlich nicht um Veranstaltungen mit
über 1.000 Teilnehmern. Beim Hausarzt werden einem die Hände
desinfiziert, sobald man reinkommt. Hamsterkäufe sind en vogue.
Klopapier halte ich für ein ungeeignetes Hamsterprodukt. Das kann man
auch mit Zeitung erledigen. Die Familien fangen an, sich zu sammeln. Die
jungen Erwachsenen kommen aus dem Studium ‚nach Hause‘. Die
Weltreisenden besinnen sich auf ihren Ursprungskontinent. Ich gehe
beruflich in den Krisenmodus: Besonnen bleiben, ruhig Blut, einen Gang
runterschalten, normal weitermachen.
Kalenderwoche 12:
Merkels Ansprachen
Zitate: „Hamsterkäufe finde ich gut, ich weiß nur nicht, wie man Hamster zubereitet.“
„Jeder
in Deutschland kann jetzt auf das Coronavirus getestet werden, ohne
sein Zuhause verlassen zu müssen. Kein Krankenhausbesuch notwendig.
Senden Sie einfach eine Stuhlprobe an: AFD Geschäftsstelle, Schillstr.
9, 10785 Berlin.“
Die Schulen werden geschlossen. Ich beneide die
Lehrer um ihre gesicherten Lohnfortzahlungen und ihr Freizeitbudget.
Ich beneide sie grundsätzlich nicht um ihren Dienst an der
medienverseuchten und unkonzentrierten Brut. Der Wagen muss in die
Werkstatt. Lässt man jetzt noch Reparaturen machen, damit alles läuft?
Oder hält man schon das Geld zusammen? Ich entscheide mich für
Normalität. Zwischendurch überfällt mich die Angst um meine entfernt
wohnenden Eltern. Diese Angst teilen alle um die 50. Unsere Eltern
gehören zu der Altersgruppe, die mit Co wirklich Schwierigkeiten haben
könnte. Die Empfehlungen der Kanzlerin sehe ich aus dem Augenwinkel für
einige Sekunden. Ich weiß nicht, ob einem dieses betrübte Gesicht Mut
zuspricht. Sicherlich ist sie vernünftig, und ich wüsste aktuell
niemanden, den ich lieber an dieser Position sehen würde. Bin ich
bundespolitisch phantasielos? Ein Bekannter meint, Robert Habeck würde
das auch genauso gut hinkriegen.
Hamstern
Ich werde
morgens um fünf wach und frage mich, ob ich meiner Verantwortung als
Vater gerecht werde, weil wir nicht hamstern. Familienrat vor acht: Wie
viele Vorräte brauchen wir? Da wir ohnehin nur volle Gebinde von
Lagerware kaufen – also alles gleich sechsmal, haben wir genug da. Als
Fahrradeinkäufer reißt es einem sonst die Packtaschen vom Rad wenn man
alles einzeln kauft. Eine Freundin hatte sich einmal über meine
‚nachkriegsmotivierte‘ Lagerung mokiert. Aber wenn ich für das Büro nur
kistenweise einkaufe, um Zeit zu sparen, warum nicht auch privat. Von
hamstern kann nicht die Rede sein. Nach einer Woche ohne Versorgung
müssten wir in den Garten Sauerampfer pflücken. Diese Phantasien
verbiete ich mir. Die Produktion läuft im Verlag normal. Es erreichen
uns vermehrt Absagen von Veranstaltungen im Kulturkalender. Die Kunden
bewerben noch guter Dinge gewerbliche Termine Ende April. Große Teile
des Kulturkalenders, den wir gerade produzieren, werden schon vor dem
Druck Makulatur sein. Ich stelle fest, dass wir in Teilen zu der
besagten Freizeitbranche gehören, die gerade einen Volltreffer
abgekriegt hat. Andererseits gehören wir auch in die Medienzone, die
zurzeit eine wichtige Rolle spielt, der sie in weiten Teilen überhaupt
nicht gerecht wird. In der unprofessionellen Online-Zone ist die
Hysterie schon voll durchgeschlagen. Von der Desinformation einmal
völlig zu schweigen. Im meinem geschätzten Deutschlandfunk bringen sie
gefühlt fast ausschließlich Co. Ich schalte das Radio öfter ab, weil ich
es nicht mehr hören kann. Währenddessen bedrohen die Welt weiterhin die
alten Themen, die von Co völlig in den Hintergrund gedrängt werden.
Geschlossen
Ich
kippe unseren geplanten Mai-Schwerpunkt ‚Gebrauchtkaufhäuser‘, weil die
inzwischen auch schließen mussten. Und ich frage mich, wie wir als
Monatszeitschrift dieser Dynamik gerecht werden. Wo liegen unsere
verkaufsfähigen Stärken? Was fehlt zurzeit am meisten? Ich beschließe,
dass wir richtig liegen: Wir verkaufen kein Papier, sondern Zukunft, Mut
und Zuversicht. Jeder Gewerbetreibende hat seine fachspezifische
Tunnelwahrnehmung. Die mit Verkaufstresen kaufen Plexiglasscheiben. Ein
Gesundheitsmann zu mir: In der Branche falle uns im Sommer die
Verlagerung der Arzneimittelproduktion ins Ausland auf die Füße.
Antibiotikamangel als Kollateralschaden wegen Produktionspausen in
China? Die Regierung ist der Ansicht, wir sollten einige relevante
Produktionen wieder mit staatlicher Anschubhilfe ins Inland holen. Kurze
Wege predigt die Nachhaltigkeitsszene seit Jahrzehnten Jetzt
kriegt diese Wahrnehmung Rückendeckung von der Versorgungssicherheit.
Die Co-Szenarien reichen bis in den Spätsommer oder Richtung
Weihnachten. Ich beschäftige mich mit dem hingeworfenen Wort ‚Triage‘.
Dabei geht es um die Sortierung der Katastrophenopfer bei nicht
ausreichender medizinischer Hilfe. Ein Begriff aus dem Krieg von der
Front: Wer kriegt noch Behandlung? Wo lohnt es nicht? Während zivile
Medizin normalerweise die Schwerstverletzten zuerst behandelt, kehrt
sich hier die Sichtweise um: Möglichst viele mit den vorhandenen Mitteln
retten und die aus Mangel aussichtslosen Fälle aussortieren. Unsere
Politik versucht, Zeit zu gewinnen, um die Fallzahlen den vorhandenen
Intensivbetten anzupassen. Eine schlüssige Logik, die unsere Wirtschaft
hart anschlagen wird.
Dr. Wodarg
Ein Lungenfacharzt a.
D., Dr. Wolfgang Wodarg, behauptet: „Dem Corona-Hype liegt keine
außergewöhnliche medizinische Gefahr zugrunde. Er verursacht aber eine
erhebliche Schädigung unserer Freiheits- und Persönlichkeitsrechte durch
leichtfertige und unberechtigte Quarantänemaßnahmen und
Verbotsregelungen.“ Ich schaue mir seine Onlinevideos an, die für einen
Laien logisch wirken und einfache Erklärungen liefern. Parallel finde
ich Beiträge, die seinen Beitrag polemisch diskreditieren. Ein
befreundeter Mediziner betitelt Wodargs Behauptungen als „gefährlichen
Unsinn“. Die ‚Wissensmanufaktur‘, in der Wodarg ein Interview gibt, hat
Kontakte in die rechte Szene. Wer als Journalist und Verleger kurz vor
Druckabgabe vermeintlich ‚wichtige Informationen‘ entdeckt, muss einen
guten Instinkt und vor allem fachlich fundierte Kontakte haben. Sonst
liegt er mit den entdeckten Wahrheiten ruckartig auf der Nase. Seriöse
Medien büßen durch Falschmeldungen Reputation und Glaubwürdigkeit ein.
Meist kosten harte Fehlschläge Auflage und Umsätze. Im Gegensatz dazu
müllt die Onlinegemeinde das Netz mit Unsinn zu, dass es nur so kracht.
Das Robert-Koch-Institut erfasst Intensiv- und Krankenhausbetten
bundesweit für den Krisenfall. Unwichtige Operationen sollen angesichts
von Co verschoben werden. Das Virus kommt in der Gewerbelandschaft
rasanter an, als dass es die Gesundheit der Landbevölkerung erreicht.
Pfiffige Steuerberater und Landtagsabgeordnete geben per Rundmail
Rettungsinfos in die Landschaft. Die Krise wird als Marketinginstrument
genutzt. Die Regierung, die in den letzten gesunden Jahren die Staats-
und Arbeitslosengeldkassen gut füllen konnte, greift zu den Werkzeugen
Kurzarbeitergeld und KfW-Kredite für Unternehmen. Die Gewerbevereine
verbreiten diese schlaffe frohe Botschaft und weitere.
Rettungstöpfe
Irgendwo
schwirrt ein Zuschuss von 25.000 Euro für Unternehmen bis 49
Beschäftigte im Raum herum. Zum Glück haben Unternehmen ab 50
Beschäftigte keine Co-Probleme. Den KfW-Kredit kann man zwar in Anspruch
nehmen, aber wovon will man ihn nachher abzahlen? Das Loch in der Kasse
wird nicht durch doppelten Umsatz in ferner Zukunft gestopft. Auch wenn
das Handwerk als Branche noch zufrieden ist, ist es eine Frage der
Zeit, wann die Delle auch dort ankommt. Kurzarbeitergeld heißt 60 % vom
Lohn als Fortzahlung oder 67 % mit Kindern. Das bremst die private
Investitionskraft trotz Niedrigzinsphase. Bei der Bankenrettung gab es
damals doch solide Zuschüsse und keine Kredite. Was ist jetzt schon
wieder am Kleingewerbe und Mittelstand so unwichtig, dass hier nicht
sauber gerettet wird? Beim Hausarzt sind sie inzwischen mit Spuckschutz
auf dem Tresen und Mundschutz unterwegs. Einlass nur auf Klingel. Der
nächste Mediziner, mit dem ich spreche, hält ohne die repressiven
Maßnahmen bis Ende April die Intensivbetten für nicht mehr ausreichend.
Auch hier fällt wieder das Wort Triage. In Italien wenden sie es schon
an. An deutschen Krankenhäusern wird konkret darüber geredet. Trotzdem
hilft Angst nicht. Die Krankenhäuser sollen nicht weiter ihren Plan
entlang operieren, um für Co Betten frei zu halten. Die Verwaltungen der
Krankenhäuser müssen schwarze Zahlen liefern und fordern von den
Medizinern, weiter zu operieren und Betten zu belegen, höre ich. Das
soziale Leben wird drastisch reduziert. Wir besinnen uns auf die
Familien. Spaziergänge kommen wieder in Mode. Ich sehe Eltern und Kinder
auf den Feldern spielen … Idylle vor Hintergrund. In der Stadt wollte
ich aktuell nicht wohnen. Ohne Wiesen und Garten. Anstieg häuslicher
Gewalt? Könnte sein. Anstieg menschlicher Solidarität? Findet ebenfalls
statt. Einkaufshilfen … Der eine reduziert das Rauchen, um seine Lunge
angriffssicher zu machen. Der andere freut sich, dass die Lieferanten
noch liefern, Aufträge da sind, und er erst einmal wirtschaftlich nichts
merkt.
Kalenderwoche 13:
Ausgangs‘sperre‘
Zitate:
„Wir sind von Corona massiv betroffen, Anzeigen sind deshalb gerade
nicht möglich. Aber ich wollte kurz mein Feedback loswerden. Ihr
Schreibstil gefällt mir sehr, die enthaltene positive Energie ebenfalls.
Machen Sie weiter so!“
„Die deutsche Wirtschaft kann man leider nicht in ein künstliches Koma versetzen.“
Aus Polen: „Vielen lieben Dank und viel Gesund!“
Die
Kanzlerin arbeitet inzwischen wegen ihrer Quarantäne im Heimbüro. Die
Kontakte liefen fröhlich auch öffentlich weiter. Die Vernunft und
Einsicht hat im Volk der Dichter und Denker nicht ausgereicht. Wir
kriegen die Ausgangsbeschränkung. Ich bin kein erklärter Freund der
Einschränkung freiheitlicher Grundrechte. Was logisch klingt, dem
schließe ich mich allerdings an. Aber passt das hier schon? Für eine
undemokratische Führung wäre jetzt der Moment, die Demokratie
langfristig auszuhebeln. Es gibt Situationen, in denen ein Volk merkt,
wenn Regierungskreise unverhältnismäßig in die persönliche Freiheit
eingreifen könnten. Diese Situation ist jetzt. Wenn die Co-Gefahr echt
ist, ist die Maßnahme nachvollziehbar. Ich habe nicht das Gefühl, dass
hier zusätzlich Themen mit ‚abgeräumt‘ werden, die mit der Krankheit
nichts zu tun haben. Noch glaube ich, was ich höre. Aber hier auf dem
Dorf, wo nur leere Maisfelder, drei Rehe und zwei Hasen zu sehen sind,
ist auch nicht der zentrale Ort der Gesamtüberwachung der Maßnahme. Mein
Eindruck ist, es läuft noch alles in geordneten Bahnen, und wir haben
weiterhin eine Demokratie und keinen Polizeistaat. Cem Özdemir sitzt
auch längst in Quarantäne und liefert einen Vernunftaufruf als Video.
Mich irritiert in seinem privaten Bücherregal der Titel ‚Sex and Drugs
and Rock ´n Roll‘, bis ich sehe, dass es das CD-Regal ist
Venedig
Gleichzeitig
sehe ich eine Chance in der Krise: In Venedig ist seit Ewigkeiten
wieder einmal klares Wasser. China hat verdampfte Zonen, die aktuell
smogfrei sind. Flugreisen und der gesamte Weltreisewahnsinn brechen ein.
Die Natur atmet auf. Es findet eine Entschleunigung statt, die
ihresgleichen sucht: Schulen und Betriebe sind geschlossen. Viele der
Nachhaltigkeitsforderungen werden grade Wirklichkeit. Wir haben das
Szenario von: So könnte es sein, jetzt einmal als Echttest. Andererseits
scharren auch alle an verschiedener Stelle mit den Hufen, um sich
wieder in das gewohnte Tempo hinein zu stürzen. Gewohnheiten ändern sich
nach 60 bis 100 Wiederholungen. Nicht vorher. Da sind wir noch nicht.
Wenn wir mit ähnlich drastischen Maßnahmen auch die Klima- und
Umweltkatastrophe bekämpfen würden, hätten wir mit dem Planeten eine
Zukunft. Es fehlen das öffentliche Leben, der Vereinssport,
Möglichkeiten zu demonstrieren … keine Frage. Aber wer hat denn
relevante Probleme, weil er gerade nicht fliegen oder neue Mode kaufen
kann? Die Forderung der Ökologiebewegung war, den Wohlstand freiwillig
relevant einzuschränken und auf niedrigerem Niveau weiterzuleben.
Zugunsten einer Weltgerechtigkeit und realer Zukunftschancen für unsere
Enkel. Hier haben wir gerade unfreiwillig und temporär einen Teil dieser
Aufgabe erledigt. Werden wir Errungenschaften aus dieser Zeit in die
Zeit nach Co hinüberretten? Sicherlich nicht das Versammlungsverbot und
die geschlossenen Grenzen. Vor einem freiheitlichen Hintergrund die
Spitzen des Konsumwahnsinns abbrechen. Und nicht nur die Spitzen,
sondern im ersten Schritt auch den halben Berg wieder auf ein
vernünftiges Maß mit. Wobei wir gerade durch die Ausgangsbeschränkung
sehen konnten, wie gut freiwillige Vernunft funktioniert. Wenn jeder
Schnarch wegen leichten Fernwehs mit 25 Jahren schon die Hälfte aller
Kontinente bereist haben muss – ist das nötig?
Zeitvertreib
Bildungsausflüge
in Musik, Literatur, Kunst und Theater interessieren einen Dreck. Aber
mit dem Flieger in die Welt, das muss sein, obwohl man schon zu Hause
die Augen nicht offen hat. Dann aber bitte eine Stiftung gründen, die
diesen Schwachsinn auch allen Afrikanern, Indern und Chinesen
ermöglicht. Damit wir im orgiastischen Finale der Tragödie alle
gleichermaßen den Planeten ruiniert haben. Ist ein Schluck klares Wasser
in Venedig ein Grund, Hoffnung zu schöpfen? – Mein Alltag wird davon
bestimmt, dass wir als Selbständige versuchen, den Arsch an der Wand zu
behalten. Während viele Arbeitnehmer prüfen, ob 67 % für die
Eigenheimfinanzierung noch reichen. Eine Kundin rechnet mir vor, was sie
der Spaß monatlich kostet. Wir sind da im gut fünfstelligen Bereich.
Das Kurzarbeitergeld reißt es nicht raus. Wir sitzen auch hier und
produzieren auf gewisse Art jetzt schon gedanklich zwei Ausgaben: Eine
mit Normalität im Mai und eine mit relevanten Co-Einschränkungen.
Eigentlich sind unsere Freibadsonderseiten planmäßig dran. Die Auskunft
ist: Die Freibäder werden sommerfrisch gemacht und Saisonpersonal
eingestellt, so als würde alles laufen. Plan B werde gerade entwickelt
und liegt dann in der Schublade. Ich verschiebe die Sonderseiten von Mai
auf Juni.
Plan B
Es ist die große Zeit des Plans B. So
variabel war Leben schon lange nicht mehr. Wir Deutschen haben es ja
gerne geregelt und kriegen das auch meistens für uns ganz gut hin. Aber
so ein Virus und seine Fallzahlen sind nun einmal keine vorausplanbaren
Größen. Der aktuelle Plan heißt Reaktion auf die neuen Umstände. Wer
reagiert ist nicht vorne, sondern hinten. – Die Studenten hocken ihren
Eltern auf dem Schoß. Selten hatten wir sie so viel zu Hause. Viele Unis
haben geschlossen. Die ersten fangen mit Onlinevorlesungen und
-prüfungen an. Es ist auch eine Zeit, in der Strategiehaltungen sichtbar
werden. Wer hat gute Ideen? Wer macht einfach zu und spart sich seine
Reserven? Wer macht stur weiter? Und wer wird schnell hysterisch? Ich
gucke mir die Kollegen an: Die einen stellen die gedruckte Ausgabe oder
Teile davon kurzfristig ein. Die anderen kommen mit erwartbaren
Vorschlägen, die nicht unvernünftig wirken. Die Avantgarde erprobt
mutige Gedanken. Die harten Gedanken liest man zwischen den Zeilen. In
der Schweiz haben sie ein Szenario durchgespielt, was passiert, wenn man
keine Co-Maßnahmen ergreift und das Virus einmal flächendeckend über
das Land abfackeln lässt. Wie viele Tote? Welche Folgen für die
Wirtschaft? Welche für die Bevölkerung? Humanitär eine Katastrophe: Da
ist jeder riskierte Tote einer zu viel. Wirtschaftlich eine Möglichkeit:
Möglichst wenig Gesamt- und Folgeschäden. Aber macht die Bevölkerung
mit oder rastet sie aus?
Szenarien
Szenarien sind
Planspiele, aber was passiert danach wirklich? Zum Ende zählt das
Gesamtergebnis: Welche Strategie bringt in Summe mehr Pluspunkte für
alle. Eine Co-Einschränkung, die die Wirtschaft ruiniert, damit die
nationale Sicherheit zerstört und weitreichende Gewaltfolgen hat, ist
sicherlich gefährlicher, als das Virus selbst. Aber das wäre ja auch nur
eines der ärgsten Negativszenarios. – Bietet sich uns gerade eine
historische Chance? Wie wahrscheinlich haben wir nachher ein Einsehen in
ein echtes ‚Weniger ist mehr‘, das breite Schichten der Bevölkerung
mittragen? Gibt es Kollateralreparaturen, wenn es Kollateralschäden
gibt? Oder bleiben freies Atmen in China und klares Wasser in Venedig
nachher nur kurz geöffnete Fenster mit dem Blick in eine mögliche heile
Welt? – Von der Wirtschaft hängen die Existenzsicherheit aller und auch
die soziale Ruhe ab. Wirtschaft ist wie Fahrradfahren, bei dem ein
dicker Elefant in die Pedale tritt. Sie funktioniert nur dynamisch. Ist
sie in Bewegung, kippt sie nicht um. Verlangsamt man sie maximal – wie
jetzt zu Co-Zeiten – beginnt sie zu wanken. Stoppt man den Elefanten,
fängt er an zu kippen, wenn wir ihn nicht stützen. Im Gegensatz zum
Radfahrer, bleibt der dicke Wirtschaftselefant aber nach dem Halt auf
dem Fahrrad sitzen. Ein schlanker Fahrradständer reicht nicht aus.
Winnetou
Praktikabel
wäre es, den Fahrradelefanten Wirtschaft einzumauern. Wie den toten
Winnetou mit seinem Pferd. Hat man das danach nicht erschossen in einem
Grabhügel mit Winnetou obenauf? Was wir uns für den Elefanten nicht
wünschen. Der soll ja spätestens ab Frühsommer wieder zaghaft
pedalieren. Im Übrigen müsste man von der Winnetoulogik her das Fahrrad
erschießen. Und welche ‚Heuschrecken‘ kaufen jetzt unsere schönen
deutschen wackelnden Unternehmen? Einfach Geld drucken und
Staatsbeteiligung? Makroökonomie ist nicht mein Spezialfeld. Ich bin
Kleinunternehmer und kann rechnen, logisch denken und
Unternehmenspraxis. Die Läden zu schließen, haut nicht sauber hin. Der
Umsatz ist der Strom im Unternehmen. Wer den Stecker zieht, setzt die
Maschine still. Wenn der Laden nicht brummt, geht er kurzfrisitig vor
die Wand. Fehlt ein Konzept oder ist das Absicht? Wer hat davon
Vorteile? – Die Unternehmen gucken auf ihre Rücklagen. Und die privaten
Haushalte, spricht man über die genug?
Grundeinkommen
Plötzlich
hat die Idee des Grundeinkommens neuen Glanz. Wenn sich zu normalen
Zeiten schon niemand dazu durchringen kann, vielleicht ist sie ja jetzt
das Mittel der Wahl. Die private Nachfrage ist als Wirtschaftsmotor
relevant. Hoffentlich wandern uns jetzt nicht zu viele in den
Onlinehandel ab und gehen nachher nicht zurück in den stationären. Um
sozialen Spannungen und der nachfolgenden (Staats-)Gewalt vorzubeugen,
hätten wir mit dem Grundeinkommen ein Mittel, allen Menschen
Erleichterung zu verschaffen. Wer sich nicht sorgt, muss sich nicht
anspannen. Und es gibt wahrlich schlechtere Konzepte, Geld
gießkannenförmig zu verteilen als nach Köpfen. Seit Jahren habe ich das
Thema als Schwerpunkt auf dem Zettel, aber gänzlich ohne
Interviewpartner. Viele reden darüber, aber keiner aus der Region will
sich dazu öffentlich substanziell äußern. Lösungen, über die wir nicht
reden, werden auch nicht Wirklichkeit. Ob es jetzt das Nonplusultra der
Rettung ist, wage ich zu bezweifeln. Aber es könnte ein Baustein sein.
Die Privatleute zeigen sich teilweise in ihrer gewohnten Ignoranz von
ihrer Glanzseite: Manche Geschäfte haben für sie nur noch zu
Reparaturzwecken geöffnet. Im Lager liegen die Ersatzteile. Die dürfen
sie noch im Zusammenhang einer Reparatur einbauen, aber ansonsten nicht
an Private verkaufen. Das kommt einer halben Geschäftsöffnung gleich:
Ich habe offen, verkaufe aber nur an Handwerker und Private kriegen nur
noch Reparaturen, aber keine Teile mehr, weil für sie unser Geschäft
geschlossen hat. Ganz oder gar nicht – alles andere verstehen viele
nicht. Jetzt haben Sie da also einen guten oder renitenten Privatkunden
stehen und sollen den nach Hause schicken, obwohl das Teil hinten liegt
und Umsatz in Ihrer Kasse fehlt? Die dürfen noch in das Geschäft, aber
irgendwie auch nicht? Also als Reparaturkunde schon und als Kaufkunde
nicht? Oder größere Teile erstmal bar kassieren, aufschreiben und die
Rechnung gibt es dann im Juni, wenn sie wieder dürfen? Ist das politisch
zu Ende gedacht? Der Unterschied zwischen der politischen Realität und
der vor Ort war schon oft die Zone, in der die Konzepte ihre Schwächen
zeigen.
Partypause
Private Geburtstage mit mehr als
fünf Familienangehörigen kommen einem schon fast illegal vor. Die
weltreisenden Zwanziger sind wieder daheim und von den Flughäfen
gepflückt. Nun sitzen sie – je nach Reiseland – allein in irgendwelchen
leeren Opawohnungen ihre Quarantänezeit ab. Bei sozialer Krise, vor der
sie auch das Handy nicht retten kann. Die Quarantäne als Literatur- und
Selbstfindungsphase kommt nicht in Mode. Singlehaushalte sind zwar im
Trend. Aber so pur wollte es der moderne Eremit mit maximaler
Selbstbestimmung doch nicht haben. – Jedes Huhn und jedes Schwein haben
mittels Tierschutz mäßige Mindestrechte, was die artgerechte Haltung
angeht. Aber die Menschen als Rudelart, nehmen sich die Freiheit und
vereinzeln sich in Wohnungen, was ihrer ‚artgerechten Haltung‘ völlig
widerspricht.
Letalität
Die Berliner Morgenpost liefert
permanent die aktuellen Co-Fallzahlen. 27.3.20 – 07:44 Uhr. 43.211
Infizierte. Ein befreundeter Mediziner meint, die Zahl der Infizierten
müsse man noch um eine Dunkelziffer korrigieren und mit dem Faktor 20
multiplizieren. Das wären dann 864.220 Infizierte. Gleichzeitig haben
wir 5.678 wieder Genesene und 262 Todesfälle, zusammen 5.940 Fälle.
Macht 4,41 % Todesfälle. Also stirbt in Deutschland laut Statistik jeder
23 an der Krankheit. Was die ganzen unerkannten Co-Fälle außer Acht
lässt, die außerhalb der Statistik die Krankheit überstanden haben. Was
auch außer Acht lässt, dass viele der Toten aufgrund von Vorerkrankungen
ohnehin einen kritischen Gesundheitszustand hatten und Co nur einer der
Faktoren für das Verscheiden gewesen sein könnte. Bei 83 Millionen
Deutschen und 70 % Erkrankten (58,1 Mio.) auf lange Sicht hätten wir
dann 2,56 Millionen (4,41 %) Tote in Deutschland. Und bei einer
Weltbevölkerung von 7,75 Milliarden Menschen wären das 342 Millionen
Tote. Wobei wir nicht davon ausgehen können, dass die Gesundheitssysteme
in anderen Ländern mit unserem mithalten. Die 4,41 % sind eine deutsche
Zahl. Ein Bekannter stellt steile Thesen auf: Die Regierung mit CDU und
SPD versuche, über die Co-Maßnahmen für die nächste Bundestagswahl 2021
ihre Stammwähler zu retten: die Alten. Seine nächste These: Die
Co-Folgen könnten zu dem längst notwendigen Systemwechsel führen. Danach
ginge es auf wirtschaftlich geringerem Niveau für alle nachhaltiger
weiter. These drei: Es würden schon Stimmen laut, die auch das
Großkapital zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen in die Pflicht
nehmen wollten. Jeff Bezos, Bill Gates, Mark Zuckerberg und die
Quandtfamilie als caritative Mittelstürmer bei der Bekämpfung der
Pandemie! Ohne Eigennutz?
Prozentrechnung
Ich lese
etwas von 9 % Letalität (Tödlichkeit) in Italien und 0,5 % in
Deutschland. Das entspräche hier einer entsprechend schwer verlaufenden
Grippewelle. Bei den 0,5 % sei die Dunkelziffer der nicht erkannten
genesenen Fälle mit eingerechnet. Wie verheerend würde sich Co in
Afrika, Asien und Südamerika auswirken? Kommen wir da unter einer
Milliarde Tote realistisch weg? Oder ist es dort zu warm für das Virus?
Systemwechsel gerne, aber bitte ohne Massensterben. – Wer von uns hat
realistische Zahlen zur Hand? Laut ‚Statista‘ starben 2018 in
Deutschland 954.874 Menschen. Wenn wir Co über zwei Jahre gestreckt
kriegen, hätten wir in dem gleichen Zeitraum auch grob 1,91 Millionen
normale Tote in Deutschland gehabt. Das relativiert einiges. Ein
Focus-Kommentar erwähnt eine englische Pandemiesimulationsstudie bei
freiem Virusverlauf, die 0,69 Millionen Tote für Deutschland über vier
Monate prognostiziert: 550.000 in England mit 25 % Aufschlag für die
höhere Einwohnerzahl in Deutschland. Co trifft verstärkt die
Risikogruppen, die in einem deutschen Gesundheitssystem gut versorgt
sind. Wie steht es da um Kontinente, auf denen die Bevölkerung aufgrund
mangelhafter Versorgung, von Kriegen und Katastrophen ohnehin schon am
Rand steht? Haben wir wieder einmal ‚Glück‘ gehabt, während dort viele
so geschwächt sind, dass große Teile der Bevölkerung schon jetzt in der
Zone der Risikogruppe leben, ohne alt oder vorerkrankt zu sein?
Gesundheitstipp: Wer aufhört zu rauchen, hat im Erkrankungsfall eine
vitalere Lunge. Das ist sinnvoll, aber wesentlich aufwändiger, als
hysterisch drei Kilo Trockennudeln zu kaufen.
Haarschnitt
Co
erkennt man an gefallenen Spritpreisen, geschlossenen Friseurläden und
demnächst am Pisspottschnitt, weil Mutti mit der Küchenschere am
Wochenende bei allen für freie Sicht gesorgt hat. Im Netz tauchen
fröhlich-garstige Videos auf, in denen angeblich beurlaubte Lehrer den
Eltern viel Spaß mit ihren Hochbegabten beim Unterricht wünschen.
Während Heimbüro und kleine Radien bei uns nichts Neues sind, ist die
Grundschule am Küchentisch ein Novum. Mathematik erste Klasse: Was da
alles verdrahtet wird und wie, ist schon ein Wunder. Da ist künstliche
Intelligenz ein Fliegenschiss gegen. Dankbar können wir für unsere
ländliche Besiedlungsdichte sein. Eine Etagenwohnung wäre für mich mit
und ohne Co keine Perspektive. Die Kinder können in den Garten und die
Erwachsenen auch. Menschen muss man noch viel öfter lüften als
Wollpullis. Der Spaziergang rangiert in Co-Zeiten auf meiner Hobbyskala
noch weiter oben als sonst schon . Mit wem können die Kinder spielen?
Man wird von anderen Eltern einer seuchentechnischen Risikoeinschätzung
unterzogen. Fiebermessen im Ohr beim Besuchskind, bevor es in die
Legoecke darf? Wir sind nicht die einzigen Frischluftentdecker. Einige
Entspannte schätzen die aktuelle Phase als vorübergehenden Sonderurlaub
ein. Ruhig, entschleunigt, allerdings mit Reisebeschränkung. So
verschieden ist der Blick der Menschen auf die Welt. Und die Ökonomie!
Während ich mir aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung Gedanken um
die Arbeitslosenzahlen und die innenpolitische Stabilität mache,
genießen andere den Freizeitbonus. Weiß ein Arbeitnehmer, wieviel 15.000
Euro Soforthilfe für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten sind?
Das ist ein Geldhauch, der wie nichts in kurzer Zeit verdunstet, trotz
Kurzarbeit.
Insolvenzen
Unternehmer und Selbstständige
verlieren aktuell locker 30 bis 100 % ihres Monatseinkommens. Wenn sie
Glück haben! Oder es kehrt sich sogar in negatives Einkommen um, weil
die Kosten zu einem großen Teil weiterlaufen. Während die Umsätze
einbrechen und Verluste gefahren werden. Würden wir allen
Verantwortlichen ihr Einkommen aktuell entsprechend streichen oder auf
negativ umdrehen: Ich weiß nicht, ob auch nur eine Textilboutique
geschlossen hätte. Ginge man der breiten Bevölkerung entsprechend ans
Portemonnaie, hätten wir schon jetzt soziale Unruhen. Die
Selbstständigen sind mir scheinbar eine besonders nervenstarke Spezies.
Volkswirtschaftlicher Schaden klingt so abstrakt. Jeder Unternehmer kann
Ihnen Co auf seinem Privatkonto zeigen. Und nur die wenigsten auf der
Habenseite. Christian Lindner fordert Lockerung so schnell wie möglich.
Was für eine Nullaussage: Das fordern doch alle, aber eben nur ‚so
schnell wie möglich.‘ Ablenkungsmanöver von seiner Haltung in der Pleite
der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen? Wieviel politischer Mist
unter dem Coronagebrüll verzapft und beiseite geräumt wird, werden wir
erst später gewahr werden oder nie. Die GEZ-Gebühren für den
notleidenden Rundfunk wurden bereits mit dem Aus für die Bundesliga
erhöht. Ist eine Befreiung von Fußballspielen einen Zusatzbeitrag wert?
Unterhaltungsmedien
Während
Netflix Verblödungshochkonjunktur hat, gibt es keine Bücher mehr. Die
Büchereien und Buchläden mussten schließen. Amazon hat Lieferengpass, na
zum Glück. Eine Gnade sind die ungelesenen Buchgeschenke der letzten
vier Geburtstage, auf die wir jetzt zurückgreifen können. Mal locker ein
halber Meter im Regal. Was könnten wir nach Co mitnehmen in die Zukunft
als Errungenschaften außer Geduld in Warteschlagen? Den familiären und
sozialen Zusammenhalt? Die Solidarität? Oder ist das wieder nur eine
Stammhirnüberlebensstrategie? In Phasen der Krise lieber
zusammenzuhalten als zu konkurrieren? Und was muss zuerst wieder weg,
wenn wir Co im Griff haben? Die staatlichen Restriktionen nach Paragraph
11, Absatz 2: Die Einschränkung der Freizügigkeit des Aufenthaltes zur
Bekämpfung von Seuchengefahr. Nicht dass uns da versehentlich einer die
Restriktionen nach Co zu lange stehen lässt. Wir haben ja indirekt
aktuell ein flächendeckendes Demonstrationsverbot bei weiterhin relevant
beklagenswerten politischen Missständen in der Welt. Sind wir jetzt
alle mehr bei Fuß, oder holen wir das nach? Fehlende politische Reibung.
Gerade bemerke ich ja nicht nur eine Partylücke. Für mich als
Privatmann und auch als Journalist heißt das, täglich abzuspüren: Ist
die Regierung noch im Maß oder nicht? Passt die Verhältnismäßigkeit der
Mittel zu der Situation? Oder sind die Entscheidungsträger schon über
ihr Ziel hinausgeschossen? Volksgesundheit auf Kosten von
Demokratieverlust ist kein Konzept. Nicht umsonst waren die Bayern in
ihren Restriktionen terminlich ganz vorne dabei. Da will man doch nicht
wohnen, egal wie gut einem Germknödel, Obatzda und Leberkäs auch
schmecken mögen.
Das Grundgesetz
Im Rahmen der
Recherchen lese ich mir Teile des Grundgesetzes durch und nicht nur
Paragraph 11. Eine empfehlenswerte Lektüre und ein interessanter
Einblick in unsere Kultur und ihren sinnvollen Wertekanon. Das führt
einen zu der Frage: Was ist Leben? Was ist sein Wert? Was ist
Lebendigkeit? Woran bemisst sie sich? Sind wir bei diesen Fragen
außerhalb menschlicher Zuständigkeit? – Ist ein Wachkomapatient weniger
‚wert‘ als ein Familienvater oder eine junge Mutter? Wer will denn das
beantworten? Was ist lebenswertes Leben? Diese Frage dürfen wir gerne
stellen, um Leben genau dorthin zu bringen. Und was ist ‚lebensunwertes
Leben‘? Diese Frage haben wir im Faschismus schon einmal gestellt und
dürfen sie nie wieder stellen. Es geht in der der Frage der Triage um
Vorrangregelungen für begrenzte Beatmungsgeräte. Und sie wird auch
beantwortet. – Angst ist ein schlechter Ratgeber, und Sorgen sind
ungesund. Im Wettlauf um das schon symbolisch gewordene letzte Paket
Klopapier stressen sich die Läufer die Gesundheitsreserven weg, anstatt
entspannt zu Hause zu sitzen und einen Tee zu trinken.
Kalenderwoche 14:
Gewohnheit?
Zitate: „Im Mai wird das doch wohl vorbei sein.“
„Vor Herbst finden keine Veranstaltungen mehr statt.“
In
Wilstedt näht die Bürgerstiftung Schutzmasken für die Bevölkerung. Die
gibt es gegen Spende. Sinnvolle Stoffe sind aus kochwäschefestem
Material. Die Sottrumer nähen ebenfalls für die Verteilung über ihre
Apotheke und gegen Spende. Ich hätte gerne zu den Fallzahlen, die uns
zugerufen werden, mehr Fakten: Bei wie vielen der Toten lagen
Vorerkrankungen vor? Altersstruktur der Betroffenen? War die
Sterbeursache die mangelnde Versorgung mit Intensivplätzen? Am 4.4. – 7
Uhr haben wir weltweit über eine Millionen Infizierte und 58.929
Todesfälle, bei 227.075 Genesenen: 20,6 % Letalität. Die Personenzahlen
sind oft erschreckend, aber entsprechend auch überhaupt nicht
aufschlussreich. Ich bin zwar ein Freund von kurzen harten Fakten. Aber
wenn sie zu kurz sind, sind es schon wieder keine harten Fakten.
Ebola
Mich
beschämt meine völlige Ignoranz gegenüber der Ebola-Epidemie 2014 bis
2016 in Westafrika. Wie viele Menschen starben da? 11.316. Auch hier
wieder plus Dunkelziffer, laut WHO (Weltgesundheitsorganisation). Aber
wem gehört die WHO? Heute Abend läuft ein Film dazu: ‚Die WHO – Im Griff
der Lobbyisten?‘ Die WHO hänge am Tropf der Gates-Stiftung, weil die
Mitgliedsstaaten zu wenig Geld hineinschießen. – Aber die Rüstungsetats
ausweiten! – Die Spargelernte, ist sie gefährdet? Dürfen die polnischen
Saisonarbeiter nun rein oder nicht? Kommen die Polen, die in Deutschland
arbeiten noch über die Grenze nach Hause? Angeblich bis zum Freitag der
Vorwoche. Dann bis Dienstag danach. Osteuropa hat fantastisch geringe
Fallzahlen. Polen will die Grenzen schließen, damit das so bleibt. Die
Pendler in den Westen und die Monteure im Ausland sollen das Virus nicht
mitbringen. Polnische Heimkehrer müssen mit der gesamten Familie 14
Tage in Quarantäne.
Spargelernte
Fragt man die
Spargellandwirte, sind auch viel weniger Spargelstecher gefragt: Die
Restaurants fehlen als Kunden. Einladungen finden aktuell keine statt.
Wann soll sich das wieder ändern? Und wer traut sich dann hin, auch wenn
die Schließungen aufgehoben sind? Polnische Saisonarbeiter dürfen doch
kommen, aber nur im Flieger, mit Gesundheitszeugnis und bei
umfangreicher Isolierung hier am Arbeitsort. Na, herzlichen Glückwunsch.
„Wie kriege ich die da drüben in den Flieger?“, fragt mich ein
irritierter Landwirt, leicht genervt. – Jemand betreut den Opa in
Süddeutschland ‚ferngesteuert‘ über Polinnen im Wechsel. Die eine fährt
heim. Die nächste rückt nicht nach. „Die bleiben einfach weg.“ In einer
Nachtaktion wird der Opa aus dem Süden überführt und glücklicherweise
ein Altenheimplatz hier vor Ort gefunden. Die Pressemeldungen erwecken
den Eindruck, dass Altenheime keine sicheren Orte sind, wenn man dort
serienweise sterben kann. Wie veröffentlicht man solche Meldungen
verantwortungsbewusst?
Stundungen
Die
Gesetzeserleichterung bei Mietschulden in Coronazeiten führt zu
Außenständen bei den Hausverwaltungen. Die geben nur noch die nötigsten
Aufgaben in Auftrag. Großkonzerne wie Adidas zahlen trotz ertragsstarker
Vorjahre erstmal keine Mieten mehr. Wenn alle so frech agieren, hängt
der wirtschaftliche Haussegen in Deutschland noch schneller schief, als
erwartet. Die zinslose Stundung der Steuerlast aufgrund des Virus
verschiebt die Zahlungsverpflichtungen nur in die Zukunft. Wem hilft das
etwas? Die Banken beschäftigen sich mit der Stundung der
Abtragszahlungen für Eigenheimkredite. Während die Landtagsabgeordneten
kernig Soforthilferundmails für Unternehmen versenden, bricht bei der
N-Bank (Niedersachsenbank) die Technik in der Startphase des Programms
zusammen. Und die Mitarbeiter sind überfordert. 120.000 Anträge. Das
Geld kommt schleppend. Die meisten Unternehmer zahlen im März noch volle
Löhne. Erst wurden Überstunden und Vorjahresurlaub abgefeiert. Bei
Geschäftsschließung fehlt trotzdem schon das Geld der zweiten
Märzhälfte. Minijobber werden in den Pausenmodus versetzt. Ihre Löhne
sind nicht kurzarbeitsfähig und trotzdem oft in die Haushaltseinkommen
einkalkuliert. Die Polizei fährt spazieren und prüft die Einhaltung der
Schließungen. – In einigen afrikanischen Ländern werden die Europäer und
Asiaten in ihren Hotels kaserniert und dürfen nicht mehr unters Volk:
Lagerhaltung umgekehrt, aber wesentlich komfortabler. Angeblich stehen
in deutschen Krankenhäusern Betten leer, weil OPs verschoben wurden.
Droht ein Defizit im Krankenhausbereich? Schweden bleibt offen und setzt
auf Eigenverantwortung. Im Coronaatlas gucke ich mir immer wieder mit
großem Interesse die geringen Fallzahlen in Schweden an. Ein
Veranstalter fragt mich: „Wer kommt nach der Öffnung noch auf
Veranstaltungen?“ Es geht um das Jahresergebnis und damit immer wieder
um die Existenz. – Viele richten mehr grundsätzliche Fragen an das
Leben. Die Großkotzigkeit ist raus.
Trautes Heim
Es
ist die Blütezeit der Partnerschaften und Familien, wenn es nicht zu
eng wird. Dann wächst die häusliche Gewalt. Als Single oder
Einelternhaushalt im Einschluss ist es noch öder. Was passiert auf dem
internationalen Parkett: In Indien haben sie mehr Tote aufgrund der
verhängten Co-Maßnahmen als aufgrund der Krankheit selbst: durch Hunger,
Erschöpfung und Polizeigewalt. In Frankreich sind nur einstündige
Spaziergänge erlaubt mit Meldung im Rathaus – wie soll das gehen? In
Italien müssen die Leute komplett im Haus bleiben bis auf
Versorgungsfahrten, höre ich aus Parma. Die Einhaltung überwachen
Polizei und Militär. Armin Laschet von der CDU in Nordrhein-Westfalen
muss aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken beim Notstandsgesetz
zurückrudern. Wieso war mir der Mann noch nie sympathisch? Örtliche
Handwerker nehmen Aufträge an, auch wenn bekannte Kunden melden, dass
der Zeitpunkt der Bezahlung noch unklar ist: Egal, Hauptsache keine
Kurzarbeit. Im Ort wird wieder solide Gülle auf die Felder gefahren.
Sicherlich erst nach Bodenproben und Pflanzenbedarfsanalysen. Es gibt
offensichtlich auch weiterhin Probleme außerhalb der Pandemie.
MonothematischWährend
sich die Luft erholen kann, gibt es für das Grundwasser keine
Entwarnung. Da helfen keine Grünkreuze. Beim Arzt muss ich jetzt auch
als Patienten einen Mundschutz tragen. Warum werden nicht mehr Banken
überfallen? Ein rechtes Forum moniert, dass die Flüchtlinge weiterhin
volle Leistungen erhalten, während die Kurzarbeiter auf Schmalspur
gestellt werden. Neiddebatten schaden allen. So leicht es einem gerade
auch fallen mag. Meine ganze Woche ist ausgefüllt mit Interviews zum
Co-Thema und Mut. Dass diese Co-Info-Woche hier kürzer ausfällt als die
davor, liegt am Themenschwerpunkt, in dem das Virus auch stramm
unterwegs ist. Im Anzeigenverkauf spielt Co je nach Branche die
entscheidende Rolle. Das wird nicht unser typischer Glanzmonat Mai. Wir
erreichen nicht einmal 50 % vom Vorjahr. Ein Verlustmonat. Andere
Zeitungen und Zeitschriften stellen aufgrund der Umsatzeinbußen die
gedruckte Auflage ein und ziehen sich auf Online-Veröffentlichungen
zurück.
Streeck im ZDFIm ZDF lädt Markus Lanz
wiederholt kluge Leute zum Gespräch ein. Bisher war Professor Doktor
Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité, der gedankliche
Orientierungspunkt der Nation. Neben ihn tritt nun Professor Doktor
Hendrik Streeck, der mit einer Studie den Infektionsverlauf im Kreis
Heinsberg, dem Karnevalskreis, erforscht. Der Direktor des Instituts für
Virologie an der Medizinischen Fakultät der Universitätsklinik Bonn
macht bei Lanz im ZDF einen guten Eindruck. Er sammelt Daten und
analysiert Fakten als Entscheidungsgrundlagen. Mit in der Sendung ist
Rechtsphilosoph Professor Reinhard Merkel aus dem Ethikrat. Ein
sympathischer Mann. Wen wundert’s: Ein Schwimmer! 1968 bei den
Olympischen Spielen in Mexiko war er Sechster über 400 Meter Lagen, je
100 Meter Delphin, Rücken, Brust und Kraul am Stück. Die Theologin
Margot Käßmann fordert mehr Hoffnungsbilder. Ein Wirtschaftsexperte
wirft ein, der notwendige Neustart der deutschen Wirtschaft könnte unter
verstärkten Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vollzogen werden. Damit
hätten wir den Kern des Sinns, den Co im Nachhinein gehabt haben könnte.
In der Folgesendung liefert Helmut Kohls Sohn Walter als
Unternehmensberater ein Co-Mittelstandszenario und entsprechende Ideen.
Nach zwei Stunden Fernsehen online brummt mir der Kopf. Wer sich mit Co
beschäftigt, kann dabei ohne Ende Zeit verbrennen. Die Wahrheitsfindung
ist ein verschrobenes Unterfangen. Eher eine Annäherung ohne konkret
verortbares Ziel. Während viele gesund, entspannt und freizeitreich
diskutieren, ist die Laune in den Kleinunternehmern mäßig bis
schweigsam, also schlecht. In wenigen Wochen schreddern die
Regierungsmaßnahmen vielen die wirtschaftliche Existenz und ihr
Lebenswerk, was sie über Jahrzehnte aufgebaut haben.
Kalenderwoche 15:
Warten auf LockerungZitate: „Im Baumarkt ist die Hölle los.“
„Die haben im Garten schon den ganzen Rasen kaputtgemäht.“
„Vom Zeitgewinn her komme ich mir vor wie in Bullerbü.“
Wichtiger
als die Öffnung der Grenzen und Beschränkungen ist die Öffnung der
Garten- und Baumärkte. Weil nicht alle Menschen durch Co zu Leseratten
werden, muss für Beschäftigung gesorgt sein. Und völlig logisch kann man
sich in einem Baumarkt wesentlich schlechter infizieren als in einem
Bekleidungsgeschäft. Kleidung ist auch nicht systemrelevant. Wir haben
doch alle volle Schränke, was stimmt. Baumärkte müssen geöffnet werden,
weil die deutschen Häuser kurzfristig alle einsturzgefährdet sind. Das
müssen die fleißigen Heimwerker fix beheben, bevor reihenweise die
Häuser umkippen. Und in den Gartencentern werden auch nur Gemüsepflanzen
für die Lebensmittelversorgung gekauft und keine Zierpflanzen. Es geht
also um die Sicherheit der Volksernährung über Hochbeetkulturen. Nicht
um Beschäftigungsprogramme für zeitüberdrüssige Vorstädter/innen.
Hauptsache nach der Gartenaktion ist nicht alles so akkurat
durchforstet, das kein Igel mehr eine Schmuddelecke findet, in der er
sich verkriechen kann. Aber jede Geschäftsöffnung macht das Durchhalten
leichter. Silberstreifen am Horizont.
Der heiße SteinAndererseits
ist die Kurzarbeit in den Privathaushalten angekommen. Die Auftragslage
der Handwerker wird unsicherer. Damit ist sie immer noch bombig. –
Fragen sie die deutschen Restaurantinhaber. – Die Leute und Unternehmen
halten das Geld zusammen und verschieben Investitionen.
Volkswirtschaftlich ist das ein Drama. Wirtschaftliche Potenz ist so
zart wie die erotische. Erhält sie nicht genug Zuspruch, fällt sie in
sich zusammen. Die Kurzarbeit trifft viele Menschen erstmalig in ihrem
Arbeitsleben. Die Krise kommt auf den Konten an. Die N-Bank-Soforthilfe
nicht. Manchmal doch, über Hackerei auf falschen Konten wie in NRW. In
Unternehmerkreisen höre ich zur Soforthilfe immer wieder: ‚Ein Tropfen
auf den heißen Stein.‘ Heimbüro. Werkstatt aufräumen, Werkzeug
sortieren. Selten hatten wir alle so aufgeräumte Büros und
Arbeitsplätze. Als Dorfnasen mit halbwegs Einkommen haben wir gut
lachen. Die Dramen spielen sich woanders ab. In Italien kacken die Hunde
in die Wohnungen. Wer nervenstark ist und wer einen Sockenschuss hat
und überreagiert, kann man jetzt feststellen. Auch in Führungs- und
Regierungskreisen. In Südamerika – Kolumbien? – dürfen sie jetzt nur
noch nach Personalausweisendnummern auf die Straße: Jeden Wochentag eine
andere Endziffer, oder so ähnlich. „Pech, wenn der Partner die falsche
Endnummer hat. Dann gibt es getrennte Spaziergänge“, erklärt mir jemand.
Bei Anzeigenkunden aus den Bereichen Restaurant, Veranstaltungen,
zwangsgeschlossener Handel gibt es einen Meinungstenor: ‚Da müssen wir
jetzt durch.‘
Geht’s noch?Für die Sachkosten gibt es
die Soforthilfe, die nicht ausreicht. Für die Personalkosten die
Kurzarbeit, deren Kosten vorfinanziert werden müssen. Und für die
notleidenden Chefs gibt es Hartz IV oder die Suppe von der
Bahnhofsmission. Das Arbeitsamt braucht wegen der Antragsmenge drei bis
sechs Monate bis zum Bescheid für das Kurzarbeitergeld. Bis dahin haben
die Unternehmer die Vorfinanzierung zu leisten. Und die Soforthilfe für
die Sachkosten muss versteuert werden. Eine Meinung: „Der Staat holt
sich also die Hälfte davon mit der Steuer gleich zurück.“ Die
Soforthilfe liegt erst einmal auf einem Antragsberg, der genehmigt
werden muss. Wer schafft Co von der Liquidität her und wie lange? Diese
Fragen gelten für Private und Firmeninhaber. Für Kurzarbeit gibt es in
Deutschland 60 – 67 %, in Österreich 80 – 90 % und in Irland 100 % vom
letzten Nettogehalt. Gibt es nachher mehr Eigenheime auf dem
Immobilienmarkt? Oder mehr Insolvenzen und günstige Firmen zu kaufen? –
Auf YouTube würden Co-Kritiker gelöscht. In den Geisterstädten steige
die häusliche Gewalt, vor allem auch gegen Kinder. Es ist die Zeit der
Vermutungen und Behauptungen ohne gesicherte Fakten.
Spuk?Mir
fehlen die Sterblichkeitsraten der letzten drei Jahre vergleichend über
die diesjährige gelegt in graphischer Darstellung. Ich möchte selbst
einmal sehen, ob die Zahlen dieses Jahres aktuell jetzt schon maßlos
ausbrechen. Wiederholt kommen mir Zweifel, wie weit die Gefährlichkeit
von Co für Gesunde Realität oder Spuk ist. Meist halte ich es für eine
handfeste Krankheit mit soliden Folgen. Manchmal für einen Spuk. Sind
wir schon so weit, dass keiner mehr sagen könnte: ‚Wir haben uns vertan.
Wir müssen umfangreich zurückrudern. Tut uns leid.‘? Ich habe einmal
ein Interview mit einem Juden gelesen, der den Faschismus überlebt hat.
Der fragte sich währenddessen als Jugendlicher jahrelang, warum er das
sichere Gefühl habe, richtig zu liegen, auch wenn die Masse anders
dachte. Erst nach 1945 schloss sich die Mehrheit wieder seiner Meinung
an. Wahrheit und Meinungsmehrheiten haben sachlich exakt nichts
miteinander zu tun. Wer kritisch fragt, kriegt in der Co-Debatte sofort
etwas um die Ohren. Vorsicht ist bei Kritik geboten, wenn man nicht zum
Ketzer abgestempelt werden will. Mutige Beiträge wie der von René
Schlott Mitte März in der Süddeutschen sind nicht die Mehrheit. Er fragt
sich, wie so unwidersprochen ein derart großes Rechtepaket ausgehebelt
werden konnte und bleibt: „das Recht auf Versammlungsfreiheit, die
Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung, das Recht auf Freizügigkeit,
die Freiheit von Lehre und Forschung, die Freiheit der Berufsausübung,
die Gewerbefreiheit, die Reisefreiheit.“ Er kritisiert die
„Alternativlosigkeit“ des Shutdown. Ihm fehlen Soziologen und
Psychologen als Berater im Kanzleramt zur Vorbeugung kollektiver
Depression. – Systemrelevant sind Müllmänner und Pflegerinnen. Wie steht
es um Steuerberater und Rechtsanwälte? Streitet zurzeit überhaupt noch
jemand juristisch? Oder geben alle Frieden oder gehen sich gleich an
den Hals? Dafür haben die Banken endlich wieder Arbeit. Es gibt zu tun
in den Kreditabteilungen. Ist Co für Banken ein Umsatzbringer? Oder ist
die Frage der Anfang einer Verschwörungstheorie? – Hier machen beim
Lebensmittel-Außerhausverkauf (Döner, Pommes, Eis) die einen zu, die
anderen nicht. Die Anordnung vom Landkreis will also korrekt ausgelegt
sein: Rausholen ja, aber 50 Meter umzu herrscht Verzehrverbot. Ich rufe
andere Kleinverleger an. Einer: „Ich mache grade nichts, habe aber einen
topfitten Garten. So ordentlich hatte ich das um diese Zeit noch nie.“
OsterbasteleiIch
kriege für eineinhalb Stunden unseren sechsjährigen Ben in mein Büro
geliehen. Wir sitzen gemeinsam am großen Schreibtisch, einträchtig in
Produktion. Er schneidet aus buntem Karton Osterhasen aus und zerlegt
Eierpappen. Wofür Ben nur begrenztes Verständnis hat, ist, dass ich mein
Telefonat mit dem Anzeigenkunden nicht unterbrechen will, um ihm einen
weiteren Hasen an die Pappe zu tackern. Als Mutti heimkommt, ist für ihn
Gartenzeit. Mein gepflegter Schreibtisch sieht solide nach Bastelstube
aus, und mir ist klar wie grenzenlos produktiv Co-Heimbüro bei
gleichzeitiger Kinderbetreuung sein muss. – Gewinnt die Natur? Keine
Kondensstreifen am Himmel. Dafür aber die Gartenökologie demoliert:
alles ratzekahl geschoren, beschnitten, gejätet und aufgeräumt. Ein
Umweltfreund stellt die Frage: Was lassen sich für Strategien aus der
Coronakrise für die Klimakrise ableiten? Wenn es dabei dann auch richtig
abgeht, wenn wir hier permanent 45 Grad haben: Flugverbot und Lockdown.
Die Demokratie habe gezeigt, dass es geht. Es gebe Vertrauen und
Information im Gegensatz zu Italien, wo das gefehlt habe. Also doch kein
unangemessener Teilzeitverlust von Freiheitsrechten? Und dann kommt bei
mir die Frage des Jammerns auf hohem Niveau: Andernorts kämpfen sie
seit Jahren ums nackte Überleben. Co in allen Ehren, aber es gibt
direktere Katastrophen, Kriege, Hunger ... Wer versucht diese Länder
durch Flucht zu verlassen und unterwegs nicht ertrinkt, landet in
Lagern, die keine Perspektiven bieten. Unsere Co-Hilfs- und
Orientierungslosigkeit ist ein zarter Geschmack dessen, was andere schon
über Jahre deprimiert. Bei ungleich schlechterer Ausgangslage.
Vielleicht sollte unser Mitgefühl weniger uns selber als denen gelten,
die es wesentlich schwerer haben als wir. Wer hilft, fühlt sich auch
selber nicht mehr so hilflos. Über Ostern kommen erste Perspektiven mit
Lockerungsszenarien. Die Zeitleisten des Gesamtvergnügens reichen bei
den engen Szenarien solide bis in 2021 hinein. Einen Marathon anstelle
eines Sprints prognostiziert Drosten.