Textfarben

Ihre innere Struktur und ihre äußeren Umstände.

Von Götz Paschen

Manche PR-Leute könnten Filmdialoge für Barbiepuppen schreiben. Ihre Texte sind hellblau, fliederfarben oder rosa. Hüpfende Buchstaben und Püppivokabeln. - Wenn Sie aber Ihre Zeitung aufschlagen, sind die Texte je nach Niveau grau oder sattschwarz. Hell- bis dunkelgrün sind Torftipps, die die Welt verbessern wollen. Braun ist die Farbe von Pegidareden. Neben die Farbe tritt der Gestank des ewig Gestrigen. Exkrementduft von Extremisten. Was die Assoziation von ‚ausmisten‘ nahelegt. Mit einem Schwall wie die Rinderställe des Augias in der griechischen Mythologie. Allein, es fehlen Halbgötter wie Herakles. Mythologische Texte haben schillernde Buchstaben. Nicht Friedrich, sondern schlicht schillernd. Wobei an schillernd nichts schlicht ist. Die hinzukriegen, ist große Kunst. Texte von Arno Schmidt und Samuel Beckett weisen reliefartige Oberflächen auf. Unter der Lupe sehen sie körnig aus, unter dem Mikroskop zerklüftet.

Gelb
Gelb sind Werbetexte aalglatter Internetseiten. Text nicht als Träger von Inhalt, sondern als zarter Schatten der lächelnden Fotos. Lediglich die Drehbücher hinter dem Ganzen sind in hartem Stahl gesetzt: kalt, blau, glänzend. Ökonomisch durchkalkuliert, wie gegossen. Ziel blasser Texte sind blasse Aktivitäten: Konsum, der einen anschleichen soll. Nicht marktschreiend am Arm ins Geschäft gezerrt. Smart mit pastellfarbenen Worten ins Netz des finalen Bestell-Klicks. Weltbewegende humanistische Texte sind in gleißendem Licht gesetzt. Sie bieten das Erlebnis einer höheren Idee und dessen, was Menschsein neben fressen, vermehren und schlafen noch bedeuten könnte. Wer Licht liest, wird strahlen. Trotzdem dürfen Worte auch über Seiten mäandrieren oder klar gesetzt sein in der Geometrie ägyptischer Pyramiden.

Orange
Orange sind Texte von Bühnenspaßvögeln. Springen die Buchstaben, ist es lebendiger Humor. Werden sie abgespult, ist es berechneter Gag mit montierter Geste. Den Profi ödet das eigene Programm an. Unterbricht er seine Monotonie, lässt drei Halbsätze hüpfen, irritiert er Erwartungshaltungen. Wie der Wettkampfsprecher, der zwischen seinen monotonen Startaufrufen einmal lustig miaut und die ganze Halle amüsiert.

Rot
Rot ist der Fleck auf der Seite, auf der messerscharfe Buchstaben stehen. Text zu schleifen ist im Optimalfall Schärfung. Meist wird Text abgestumpft. In Ketten legt man Buchstaben mit Zensur. Das klingt fremd, ist aber populär. Die ‚Schere im Kopf‘ vermeidet Passagen, die dem Autor Ärger bereiten (dunkelrot). Dauergrau ist schlechte Arbeit. - Fotovergleichbar tippt Jugend Fragmente in Geräte. Blitzlichtkurzmüll. Da ist nichts im Text und nichts im Fluss. Emotionsunwerter Textschrott oder neue Sprachform?

Schwarz-rot-gelb
Sind drei miese Farben auf der Weltkarte der Pressefreiheit. Hier wäre weiß die Wunschfarbe. Text wird in Ketten gelegt. Was in Deutschland verboten ist. Hierzulande geschieht es strategisch über den Entzug von Werbebudgets. Welcher Journalist kann über einen guten Anzeigenkunden kritisch schreiben, ohne dass die Verlagsleitung den Text bremst oder bereinigt? Heule aber keiner aus einem Land in weiß. Im Luxus zu kotzen, hat kein Niveau.

Farbig lesen
Wenn ein Text keine Farbe hat, besteht die Chance, ihn bunt zu lesen, die Motivationen dahinter zu dechiffrieren. Hinter jedem Pastellton oder Grau verstecken sich wilde Ambitionen. Wer kennt die Abgründe eines Barbieautors? Oder ist das Fehlinterpretation oder Unterstellung?

Torftipp: A) Weltkarte der Pressefreiheit online: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/rangliste/2018/ ; B) Die Weltkarte als Druck (68 x 48 cm) bestellen: unter: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/ueber-uns/infomaterial-bestellen/ oder 030 - 609 895 330; C) Reporter ohne Grenzen e. V., Spendenkonto: IBAN: DE93 1002 0500 0003 2054 00, BIC: BFSWDE33BER, Bank für Sozialwirtschaft.