BW-Ella-Rock GmbH

BWL-Studenten und ihre kommerzielle Band.

Text: Götz Paschen

‚Udo Prunz spielt Musik für Hinz und Kunz.‘ So war Udos erster Gruppentitel, unter dem er schon mit 16 Jahren versuchte, sein Talent gegen Geld unter die Leute zu bringen. Bis auf zwei wohlgemeinte Auftritte in der Verwandtschaft und einen Polterabend war aber nichts zu holen. Immerhin waren Udos geschmacklose Zwischenansagen bei dem Polterabend Anlass für Ausschreitungen, eine solide Saalschlägerei und die Absage der Hochzeit. Udo merkte, dass seine Ästhetik im bürgerlichen Mittelfeld nichts verloren hatte. Er blieb aber seinem Ansatz treu: Der Bandname macht den Erfolg! Später gründete er mit zwei Freunden aus der Informatikschul-AG ‚Minirock‘ und die ‚Blutgruppe‘. Auch damit war weder merkantil noch erotisch viel zu holen. Die Groupies standen nach ihren Auftritten in nahezu leeren Sälen nicht Schlange. Als Udo nach einem Konzert der Ansicht war, dass zumindest die hübsche Bedienung von ihrem Musikmist begeistert sein könnte, zog er sich eine amtliche Hodenprellung zu

Schnulzen
Neue Texte mussten her. „So mancher Kreativer ist über den steinigen Weg mannigfaltiger Misserfolge zum Diamanten geschliffen worden“, so Udos These. Inspiriert von ‚This is Not a Love Song‘ von der britischen Postpunkband ‚PIL‘ (Publik Image Limited) unter John Lydon, dem ehemaligen Säger der legendären ‚Sex Pistols‘ ging es um neue Texte und einen neuen Bandnamen. Da die drei inzwischen im spießigen Münster in Westfalen BWL studierten und die Punk-Idee der englischen ‚Limited‘ witzig fanden, sollte GmbH in den Bandnamen. ‚BW-Ella-Rock GmbH‘ lieferte Liedtitel wie ‚Umsatzsteuervoranmeldung‘, ‚Passive Rechnungsabgrenzung‘ und ‚Abschreibung now‘. Zumindest in der blutleeren westfälischen Schlipsstudentenszene waren sie auf den Partys angesagt. Und auch endlich mit beischlafrelevantem Erfolg als Musiker anerkannt.

Musik
Die Musikrichtung lag irgendwo zwischen ‚Kraftwerk‘ (Computer-AG, wir erinnern uns), lahmem Punk und Kuschelrock. Eine Mischung, gnadenlos unerträglich. Da die Auftritte auf den BWL-Erstsemesterpartys aber immer erst im hinteren Programmteil lagen, ging die Musik im Alkoholdunst unter. Origineller waren dagegen die Liedtexte, explizit angesiedelt jenseits dämlicher Liebeslieder nach PILs Motto ‚This is Not a Love Song‘. Manche Dozenten der Fakultät wohnten den Konzerten nüchtern bei, weil sie in ihren nächsten Vorlesungen Liedtextpassagen adaptieren wollten. Studenten und –innen, die samstags noch strunzbesoffen bei ‚Verlustvortrag‘ mitgebrüllt hatten, kamen so montags besser in das Thema rein. Oder die Referenten nahmen die Zeile ‚Baby, mir ist alles klar, ob degressiv, ob linear‘ als Einleitung in das Abschreibungsthema. An und für sich eine kotzöde mathematische Thematik. Genüsslich allerdings, wenn dann beim Beamervortrag nach jeder zirka siebten ‚Folie‘ ein Partyfoto vom Dozenten: „Oh versehentlich“ überklickt wird, auf dem knutschende oder besoffene Kommilitonen zu sehen sind.

Liquidation
Udo Prunz Idee vom großen Geld im Musikgeschäft wurde nie Wirklichkeit. Das einzig Relevante, was sie ihm schlussendlich einbrachte, war eine handfeste Syphilis nach ihrem Abschlusskonzert bei einem Studentenaustausch in Paris. Zu einem chronischen Verlauf mit Zerstörung des zentralen Nervensystems im Endstadium kam es bei Udo nicht. Nach der Genesung beschloss der Betriebswirt, nun etwas Gescheites zu machen: Heute ist er bei Facebook in der Arbeitsgruppe ‚Demokratieförderung und Wahlbeobachtung‘ festangestellt. Eines von Zuckerbergs Steckenpferden. Sein altes Auftrittsfotoalbum ist sein ganzer Stolz. Mehr gibt es nicht zu sagen, außer dass inzwischen in Münster die BWL-Vorlesungen wieder genauso öde sind wie eh und je.

Torftipp: Zuviel laute Musik ist nicht gut für die Birne. Wie kann Sexpistols-Sänger John Lydon auf seine alten Tage sonst Verständnis für Trumpwähler und den Brexit zeigen?