Viel Politik, wenig Erfolg
Otterstedter See – die unendliche Geschichte.
Text: Götz Paschen, Fotos: Götz Paschen, www.polyplan-umwelt.de, Torsten Höner

Ende
Juni kam im Rathaus der Bewilligungsbescheid für einen Zuschuss über 90
% der Maßnahmenkosten von 351.832,50 vom NLWKN Verden. Das NLWKN ist
der der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und
Naturschutz. Es geht in dem Bescheid um die „Kontrolle der
Blaualgenentwicklung und die Sanierung des Sees allgemein“, so Ralf
Schack, Leiter des Bauamtes im Flecken Ottersberg. Nur 10 % dieses
Seeprogramms trägt die Gemeinde. Die Gesamtmaßnahme ist auf 390.915 Euro
beziffert. Als Sofortmaßnahme in diesem Zusammenhang wurde Ende Februar
2020 noch einmal Bentophos zur Bindung der Nährstoffe und Vermeidung
von Blaualgen in den See gegeben. Inzwischen blühen wiederholt Blaualgen
vor den Stränden und im Otterstedter See. Schack: „Das Ergebnis ist
nicht so, wie wir uns das erhofft hatten.“ Neben der Bentophosmaßnahme
dient das übrige Geld aus der Zuwendung „für Untersuchungen und nicht
für reale Maßnahmen. Es geht um Strategien – das heißt Planung und
wissenschaftliche Grundlagen.“ Vor 2021 sei nicht mit Aktivitäten zu
rechnen. Gegebenenfalls könne man prüfen, den Bescheid anzupassen, um
mit den Mitteln konkrete Maßnahme durchzuführen. Eigentlich ist das Geld
nur für theoretische Ergebnisse gedacht. „Man weiß ja nicht, was man
machen soll. Das soll untersucht werden. Wir fangen ein bisschen wieder
vorne an.“
Kein nachhaltiges KonzeptEs gibt einige
Unterlagen, mit denen man in der Vergangenheit hätte konkret werden
können. Bentophos blieb stets das Mittel der Wahl, ohne langfristigen
Erfolg. Das macht verständlich, dass die Seeinitiative und die Aktiven
im Umweltausschuss inzwischen das Thema satt haben, solange konkret
nichts Neues passiert. Die Unterlagen sind umfangreich und kommen
wiederholt zu dem Ergebnis, dass neben oder anstatt Bentophos auch
andere Maßnahmen angewendet werden sollten:
2004 – 21 Seiten plus
diverse Anlagen: ‚Gewässerzustandsbericht, Sanierungskonzept
Otterstedter See‘ mit Analysen von Seetiefe, Wasserschichtungen, der
Wasserzuflüsse aus Oberflächen- und Grundwasser, Wasserproben,
Nährstoffbestimmung ... Auftraggeber: Seeinitiative Otterstedter See,
Konzept: Polyplan GmbH
2012 – 17 Schaubilder PowerPoint: ‚Otterstedter See Sanierungskonzept 2012 – 2015‘ Vortrag: Stefan Bruns, Polyplan GmbH‘
2013
– 17 Seiten: ‚Analyse und Bewertung des Einsatzes von Bentophos am
Otterstedter See‘. Auftraggeber: Flecken Ottersberg, Bericht: Polyplan
GmbH: „Eine weitere Gabe von Bentophos mit den gleichen
Berechnungsgrundlagen wie bei der letzten Zugabe hätte vermutlich einen
kleinen kurzfristig positiven Effekt. Es würde jedoch keine nachhaltige
Verbesserung auftreten.“
2014 – 22 Seiten: ‚Vorplanung von
Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen am Otterstedter See‘.
Auftraggeber: Flecken Ottersberg, Planung: Polyplan GmbH: „Falls der
Einsatz von Bentophos weiter in Betracht gezogen wird, sollte ein
Vergleich mit anderen Sanierungs- und Restaurierungsmethoden erfolgen.“
PhosphorStefan
Bruns (57) aus Rotenburg ist Geschäftsführer der Polyplan Kreikenbaum
Gruppe in Bremen. Diese Firma beschäftigt sich mit Bäderplanungen und
Seesanierungen. Bruns erklärt bildhaft die Überdüngung eines Sees:
„Phosphor ist der limitierende Mangelnährstoff.“ Und zieht eine
Parallele zur Wirtschaft. „Das ist wie beim Geld. Wenn ich mehr Geld
drucke, bringt es mehr Umsatz, mehr Konsum, mehr Umweltverschmutzung …“
Und „Mehr Phosphor bedeutet mehr Wachstum bei Algen, Wasserpflanzen und
Bakterien. Algen haben den Vorteil, sie können im Wasser schweben.
Unterwasserpflanzen können bei geringerer Sichttiefe keine Photosynthese
mehr betreiben. Dann bleiben mehr Nährstoffe für Algen und Bakterien.“
Es entstehen mehr Biomasse im System und mehr Abfall. „Wo mehr gelebt
wird, wird auch mehr gestorben.“ Der Abfall fällt herunter in den See,
verbraucht bei der Zersetzung Sauerstoff und sedimentiert aus. Der
untere Seebereich (das Hypolimnion) hat nur Sauerstoffverbraucher, aber
keine Produzenten. „Abgestorbenes Material wird mikrobiell abgebaut. Die
meisten Mikroben brauchen dafür Sauerstoff.“
BentophosPolyplan
beschreibt in der Stellungnahme von 2013 das Mittel Bentophos, das vom
limnologischen Institut Dr. Nowak in Ottersberg wiederholt eingesetzt
wurde wie folgt: „Bentophos besteht zu 95 % aus Bentonit und zu 5 % aus
Lanthan. Bentophos wird verwendet um zum einen im Wasser befindliche
Phosphate während der Fällung (des Herunterfallens, Anm. pas) zu binden
und zum anderen um längerfristig sedimentgebundenen Phosphor zu binden
und somit Phosphor-Rücklösungen in den Wasserkörper zu verhindern. Durch
den Einfluss auf den Phosphorhaushalt soll Einfluss auf die
Gesamttrophie (Nährstoffsituation, Anm. pas) des Sees genommen werden.
Die Bindung des Phosphors erfolgt über den Lanthananteil im Bentophos.“
Lanthan„Die
Ökobilanz bei Lanthan ist schlecht. In China wird es in Gruben
abgebaut. Du musst viel Boden mit Chemikalien waschen, um das Lanthan
daraus zu gewinnen. Damit du es hier nachher in den Schlamm schmeißt?
Der Verbrauch an Umwelt in China ist viel höher, als das was es hier
erreicht. Die Lanthan-Phosphor-Verbindung ist theoretisch stabil, aber
praktisch wohl doch nicht. Und es ist im Einkaufspreis nicht billig.“
Normalerweise nutze man Lanthan für Ultraleiter, um schneller Daten zu
transportieren. „Ich kann das in hochtechnischen Produkten verstehen,
aber die Ökobilanz von Lanthan für den Einsatzweck im See ist
furchtbar.“
TibeanEin Tibean ist eine
Tiefenwasserbelüftungsanlage: Ein senkrechtes Rohr, das Tiefenwasser
hochpumpt, an der Wasseroberfläche mit Luftsauerstoff anreichert und
über ein zweites Rohr wieder in tiefere Wasserschichten zurückpumpt. „Es
gibt bei der Anwendung keine Durchmischung von Wasserschichten.“ Dann
kümmert sich laut Theorie die Chemie des Sees um den Phosphor. Bruns:
„Sowie Sauerstoff zugeführt wird, bindet sich der Phosphor wieder an das
das Eisen. Es sind genug Bindungspartner im Wasser. Ist nicht genug
Eisen da, gibt man Eisen zu.“ Das Verhältnis liegt hier bei 15 Eisen zu 1
Phosphor. Der Eisenanteil im Sediment sei gering, aber im Wasser hoch.
Bei Einsatz eines Tibeans dauere es ein paar Jahre, bis der weiche
Schlamm am Grund abgebaut ist. Die Mikroorganismen machen aus dem
Schlamm mineralisches Sediment, wenn sie genug Sauerstoff haben. Anfangs
läuft die Anlage Tag und Nacht durch, angeblich geräuschlos und auch im
Wasser nicht hörbar. „Nach zwei bis vier Jahren ist das Schlammdepot
geringer und entsprechend auch die Laufzeit der Anlage auf ein bis zwei
Stunden am Tag reduziert.“ Zu Beginn des Einsatzes könne es ein paar
Tage schäumen, weil Eiweiß zerschlagen werde. – Die Firma Polycon GmbH,
in der Bruns ebenfalls Geschäftsführer ist, bietet den Tibean an. In
dieser Darstellung ist Bruns also nicht unbefangen oder anders gesagt:
Er ist von seinem Produkt überzeugt. Für den Otterstedter See würde eine
solche Anlage zirka 75.000 bis 100.000 Euro kosten ohne Mehrwertsteuer.
„Je nach Ausführung und gegebenenfalls Zusatzfällungsmaßnahme.“ Plus
Monitoringkosten für die Dauerbeobachtung von jährlich zirka 2.000 bis
5.000 Euro netto. Die Energiekosten pro Jahr liegen zirka bei 2.500
Euro. „Die Anlage kann aber auch gegen eine jährliche Gebühr von zirka
15.000 Euro netto geliehen werden, hierin ist dann die Vollwartung
eingeschlossen. Mindestlaufzeit sind zehn Jahre.“ Wieder plus
Energiekosten. Und wie lange läuft das Gerät? „Der Tibean ist da dann
dauernd im See. Es sei denn, es ändern sich irgendwelche Bedingungen. Er
ist nur dann irgendwann ganz entbehrlich, wenn man die
Nährstoffeinträge reduziert.“ Was immer oberste Priorität im
Zielhorizont haben sollte.
Umwidmung der MittelMan
hätte also die Bentophosgabe von Februar, den Tibean inklusive
Monitoring und Energiekosten für zehn Jahre im Sack und nach meiner
groben Überschlagsrechnung von den 390.000 immer noch die Hälfte übrig
für die Sanierung der Sanitäreinrichtungen am dritten Strand, einen
Gutachter und weitere Maßnahmen. Der Gutachter könnte auf der
vorhandenen Datengrundlage aufbauen. Das erfordert eine entsprechende
Umwidmung von Teilen der Förderung. Widerspricht das deutscher
Verwaltungslogik? Vermutlich hilft vorab auch ein Erfahrungsaustausch
mit den Verantwortlichen am Sodenmattsee Bremen und dem Krupunder See
Hamburg, die jeweils einen Tibean in Betrieb haben. Geht die
Planungsvorgabe für ein unabhängiges Büro in diese Richtung?
SauerstoffIm
Sommer wird das Hypolimnion (der See unten) schneller sauerstoffarm
durch den Konsum der Biomasse durch Mikroben. „Unter Anaerobie (Fehlen
von Sauerstoff, Anm. pas) lösen sich im Sediment chemische Verbindungen
auf. Dadurch wird das Tiefenwasser auch vom Sediment her mit Nährstoffen
angereichert. Das nennt man ‚seeinterne Düngung‘.“ Heißt: Unter
Ausschluss von Sauerstoff lösen sich aus dem mineralischen Material in
den Ablagerungen des Sees am Grund ebenfalls Phosphormengen. Die
reichern nun auch noch von unten her das Wasser mit Nährstoffen an.
Unten kann keiner etwas mit den Nährstoffen anfangen, weil das Licht zur
Photosynthese fehlt. „Im nächsten Herbst wird das Wasser gemixt durch
Wind und weniger Sonne. Die Wärmeschichtung (kalt unten, warm oben, Anm.
pas) wird aufgelöst und der Stofftransport vertikal ist ungestört.“ Zu
Deutsch: Wird es kalt, hört die klassische Wärmeschichtung im See auf,
das Wasser durchmischt sich, der Phosphor verteilt sich auch im oberen
Teil des Sees und steht im Folgejahr der Blaualgenblüte zur Verfügung.
Bakterien
„Der
See ist in seiner Beckenform hochstabil. Das Verhältnis Tiefe zu
Oberfläche ist sehr günstig. Der könnte oligotroph (nährstoffarm, Anm.
pas) bis mesotroph sein mit Sichttiefen von drei bis acht Metern, wenn
er nicht so stark anthropogen (durch Menschen, Anm. pas) beeinflusst
wäre.“ In oligotrophen Gewässern mit einem Phosphatgehalt von 4 bis 10
Milligramm je Kubikmeter ist die Bakterienzahl je Milliliter unter 100.
In eutrophen (nährstoffreichen) Gewässern mit einem Phosphatgehalt von
35 bis 100 Milligramm je Kubikmeter leben bis zu 100.000 Bakterien je
Milliliter. Welche weiteren Maßnahmen reduzieren die Nährstoffmenge im
See?
FischeBruns empfiehlt Einschränkungen für Angler:
„Nicht anfüttern und einen hohen Raubfischbesatz erhalten.“ Die Karpfen
raus, die durchwühlen das Sediment. „Der Karpfen ist die Sau im Teich
und schmeckt meist wie eine Tüte Schlamm.“ Er hält den See von der
Beckenform her für ein typisches Zandergewässer. „Durch Raubfischbesatz
werden die Jungfischbestände reduziert. Dadurch wird der Frassdruck auf
das Zooplankton verringert. Dann kann das Zooplankton mehr Algen
verspeisen.“ Die Folge wären mehr Klarwasserstadien. „Dann können die
Unterwasserpflanzen besser durchstarten.“
BiomasseBruns
hält auch eine Räumung von 50 % der Seerosen und 10 % des Schilfs für
erwägenswert, durch mähen, beziehungsweise wegbaggern. „Seerosen kannst
du mit dem Mähboot im Herbst ernten und die Biomasse entnehmen.“ Schilf
mäht man zur Nährstoffentnahme, solange es noch grün ist, dann sind die
Nährstoffe noch oben in der Pflanze und nicht in den Wurzeln. „Wenn man
es grün mäht, kriegt man allerdings Probleme mit dem Naturschutz, weil
im Juli und August noch Vögel darin brüten.“ Ein Vorgehen beschränkt auf
Teilflächen ist hier angemessen. „Das Hauptthema ist die
Eintragsreduzierung von Nährstoffen in das Hypolimnion, um es mit
Sauerstoff anzureichern.“ Also die Verringerung des Phosphoreintrages
von außen.
Wasserpflanzen„Man sollte auch submerse
Makrophytenzonen schaffen.“ Gemeint sind Unterwasserpflanzen, die über
das Wasser Nährstoffe aufnehmen und nicht über die Wurzel aus dem
Sediment. „Die Unterwasserpflanzenkartierung ist mau. Sie haben auch zu
wenig Licht, aber die kämen wieder. Deren Sporen halten Hunderte von
Jahren bei den Bedingungen.“
Effektive MikroorganismenEffektive
Mikroorganismen, auch als ‚EM‘ bekannt, sollen Nährstoffe aufnehmen.
Bruns ist skeptisch. „EM ist ein super Marketing. Es gibt keine nicht
effektiven Bakterien.“ Er selber arbeitet auch öfter mit
Bakterien-kulturen im limnologischen Zusammenhang. Das muss man sich wie
einen biologischen Kompoststarter vorstellen, der die Lebewesen zur
Erstbevölkerung liefert, die die Umsetzung starten. „Die
Bakterienkulturen kannst du dir als Cocktail mixen. EM-Bakterien im
anaeroben (ohne Sauerstoff, Anm. pas) Wasser sterben, wie andere auch.
Wenn das Milieu da ist kommt alles von alleine. Die Information ist
schon da in einem so alten System.“ Wenn im Februar 2020 Bentophos
eingesetzt wurde, ab wann funktionieren die EM dann wieder? „Das kann
man nicht sagen, weil man zu wenig über das Lanthan weiß.“
SanitäranlagenDie
Toiletten sehen nicht nur mäßig aus. Sie sind auch zu früh
abgeschlossen. Trotzdem hält Bruns nichts von 24 Stunden, 365 Tage
geöffnet wegen des Vandalismus. „Wir sind ja oft mit Betreibern vor Ort.
Nachts offen, das haut nicht hin.“ Seine Alternative wäre das Konzept
der ‚Netten Toiletten‘ wie in Bremen, Verden … Der Gastronomiebetrieb
stellt der Bevölkerung seine Toiletten gratis zur Verfügung und erhält
dafür eine solide Entschädigung durch die Gemeinde. „Das ist eine
Superidee, und es guckt einer danach.“ Bruns empfiehlt es für die Zeit,
wenn die Seetoiletten abgeschlossen sind. Sollte man die Toiletten
anhübschen oder voll sanieren? „Es muss einfach angenehm sein, auf die
Toilette zu gehen. Gepflegt ist schöner und umso weniger wird ins Wasser
gepinkelt. Es wird trotzdem viel ins Wasser gepinkelt.“ Vorher zu
duschen sei angesagt. Körperdreck ist auch Nährstoff.
ZuflussPhosphor
wird auf verschiedenen Wegen auch von oben in den See eingeschwemmt.
Die Fäkalieneinleitung der Seeanwohner ist glücklicherweise Geschichte.
Andere Zuläufe sollte man mechanisch bremsen. „Versickerungsmulden
verringern die Zulaufgeschwindigkeit.“ Weniger Erosion heißt, dass
Partikel aus dem See zurückgehalten werden. Den gleichen Zweck verfolgt
die empfohlene ‚Aco-Dränrinne‘: Erosion auffangen, die sonst Stoffe in
den See mitnimmt. Mindestens in der ersten Reihe um den See herum gehe
es darum, in den Gärten keinen Dünger zu verwenden. In der zweiten Reihe
sind es die Gräben, die eingeleitet werden und Nährstoffe von den
Häusern mitbringen. „Die Einträge müssen auf ein mögliches Minimum
reduziert werden. Es gibt einen hohen Nutzungsdruck auch durch die
Anwohner. In Österreich heißt so ein See ‚verhüttelter See‘. Da sind die
Anreiner verantwortlich. Die ‚Verhüttler‘ müssen einen Strand für die
Öffentlichkeit freihalten und pflegen und auch das Gewässer sanieren.
Die Verhüttler sind da unsere Kunden. Ich finde es immer gut, wenn die
Verursacher auch die sind, die sich kümmern müssen.“ Und die
Landwirtschaft? Die Hauptlast beim Phosphor komme durch die Gräben. „Die
Landwirtschaft ist da nicht das Hauptproblem, das haben wir nicht hoch
bewertet.“
UmweltausschussAngela Hennings (55) aus
Fischerhude sitzt für die Grünen seit 2009 im Umweltausschuss im
Gemeinderat des Fleckens Ottersberg. Sie ist Diplom-Ingenieurin für
Umwelttechnik. Hennings hat in der Sitzung des Umweltausschusses mit der
Mehrheit der Mitglieder am 18. Februar gegen die wiederholte
Verabreichung von Bentophos gestimmt. Gleichzeitig tagte der Ortsrat
Otterstedt und stimmte dafür. Danach hat der Verwaltungsausschuss in
geheimer Sitzung für das Bentophos und gegen den Umweltausschuss
gestimmt. Warum? „Der Gedanke war, ungefähr für fünf Jahre eine ruhige
Saison und damit Zeit für ein Konzept zu haben. – Wenn wir Bentophos
anwenden, hatte ich die Sorge, dass wir keinen Handlungszwang mehr
haben.“ Diese Sorge war unberechtigt. Es hat nicht funktioniert. Die
Blaualgen sind da. Das Thema See ist aktuell. Im Rahmen der gesamten
Gemengelage ist ein Nachteil, dass Denise Bodendorf zum Jahresende die
Verwaltung verlassen hat. Sie war die stellvertretende Leiterin im
Bauamt, die federführend dieses Thema bearbeitete. „Die Stelle ist
vakant. Da sitzt niemand.“ Der umfangreiche Förderantrag auf
Bezuschussung für die Seesanierung von September 2019 stamme maßgeblich
aus ihrer Feder. Frau Bodendorf hatte einen Aktionsplan vorgelegt, der
schon 2019 startete. „Wir sind jetzt bereits in Mitte 2020!“ Hennings
hätte als mögliche Maßnahmen jetzt gerne den Einsatz von EM und die
Tiefenwasserbelüftung überprüft: „Ein Versuch wären die EMs gewesen. Sie
sollen an das freie Phosphor ran. Es soll wirklich ein Abbau
stattfinden. – Der Tibean bedeutet einen hohen Stromverbrauch, wenn wir
ihn dauerhaft betreiben und den See damit an den Tropf hängen. Du
belebst den See die ganze Zeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er
irgendwann nur 20 % der Zeit läuft. Das würde nur gehen, wenn ein
Sedimentabbau im nennenswerten Umfang stattfindet.“ Andererseits steht
Hennings wiederholtem Einsatz von Fällmitteln kritisch gegenüber. „Für
meinen Geschmack gehören Lanthan, Eisensulfalt und Aluminium in so einen
See nicht rein.“ Ein Mittel rein und fertig, ist ihr zu schlank
gedacht. „Du gibst etwas rein und hast es erledigt. Das ist
Symptombekämpfung. So einfach ist das nicht. Und das sehen wir jetzt ja
auch. – Wenn wir den See sanieren wollen, müssen wir ein Interesse
haben, die Schlammschicht abzubauen, aber nicht im Sinne von
rausbaggern. Das ist bei einem Biotop nicht möglich.“ Hennings hat
jahrelang auch als Umweltausschussvorsitzende an dem Thema gearbeitet.
„Viele Maßnahmen, die im Umweltausschuss beschlossen wurden, sind
verwaltungsseitig nicht umgesetzt worden. Ich habe die Hoffnung, dass
mit dem neuen Bürgermeister die Entscheidungen des Umweltausschusses mit
einem größeren Nachdruck von der Verwaltung vorangetrieben werden.“
AnfangenBruns
fragt sich, ob jetzt wieder ein Ingenieurbüro gucken muss, bevor man
erste logische Maßnahmen ergreift. „Anfangen wäre jetzt angesagt, nach
meinem Kenntnisstand haben die Ottersberger alles. Und wenn sie sogar
noch einen Plan (von Frau Bodendorf, Anm. pas) haben, haben sie mehr als
ich dachte.“ Er empfiehlt: „Immer Schritt für Schritt, um Aktion und
Reaktion zu überprüfen.“ Das Ergebnis der einzelnen Maßnahme ist durch
die herbstliche Durchmischung der Wasserschichten erst im nächsten Jahr
sichtbar. „Es gibt Gemeinden, die haben Seen, die sind viel schwieriger
zu sanieren. Diesen See saniert man gerne, weil die Erfolgsaussicht groß
ist aufgrund seiner Tiefe und Lage ohne direkte Siedlung und bei
verhältnismäßig wenigen Badegästen. – Die Sanierung ist ja ein Klacks,
wenig Wasseraustausch – der See ist hydraulisch nicht stark belastet: Es
fließt kein Fluss durch, der viele Nährstoffe mitbringt ... Das ist für
eine Sanierung alles gut.“
WorkshopEs geht nicht
vorangeht, wenn zwar alle in einem Boot sitzen, aber in verschiedene
Richtungen rudern. „Vielleicht muss man da auch noch einmal einen
Workshop machen mit allen Interessenten, den Anwohnern, der Verwaltung
und der Politik.“ So etwas hat er kürzlich andernorts angeregt mit der
Ansage ‚Wir fangen erst an, wenn wir uns alle einig sind.‘ „Nach dem
Workshop weiß jeder, was er will und alle haben Bock. Das ist ein
Erfolg. Dann habe ich als Planer Lust zu arbeiten. Dann macht das auch
Spaß. Das ist die Basis für den Erfolg, dass alle das Konzept von Anfang
an geil finden. Und sich in den Ergebnissen sehen und die mittragen.
Auch die ‚Hüttler‘. Wir wollten die Maßnahme auf eine breite Basis
stellen. Die Anwohner sind dann Planer, und das ist für den Prozess
total wichtig.“ Oyten hat mit seiner Zukunftswerkstatt zum Oyter See
gezeigt, dass es geht.
Torftipp: 1) Neues ausprobieren,
wenn das Alte nicht mehr funktioniert. 2) Demokratische Mitsprache für
die Bürger, so lästig das auch ist.
Beitrag aus Torfkurier 8/2020 zum Download.
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